Mein Leben in 80 B
Schwiegermutter in ihrem Alter wohl kaum zumuten. Jetzt nicht. Das würde ich Elissa sofort schreiben. Und mir danach überlegen, was ich ihr zum vierzigsten Geburtstag schenken sollte.
***
«Natürlich fährst du. Ich rufe meine Mutter an, die kommt gern ein paar Tage her, um auf die Kinder aufzupassen. Mein Vater ist sowieso bei einem Klassentreffen in Rom, und sie wäre ganz alleine. Das ist genau an dem Wochenende, an dem Elissa ihren Geburtstag feiern will. Genieß es und fahr doch von Donnerstag bis Montag. Dann lohnt sich der Aufwand wenigstens.»
Als wir nach dem Abendessen noch ein Glas Wein tranken, hatte ich Toni von Elissas Einladung erzählt.
«Siehst du, du bist auch der Meinung, dass es zu aufwendig ist.»
«Nein, bin ich nicht, ich meinte
deinen
Aufwand. Ich weiß doch, wie schwer du dich mit veränderten Tagesabläufen tust, deshalb wäre es vielleicht besser, wenn du nicht nur für eine Nacht zu Elissa fährst. Du bist ja bis Westerland mit der Bahn fast fünf Stunden unterwegs.»
«Aber Tom schläft schon immer so schlecht ein, wenn ich die Dessous-Partys gebe», ignorierte ich den Vorwurf und erklärte meine eigenen Überlegungen. «Wie soll das denn werden, wenn ich sogar vier Nächte nicht hier bin? Und Hanna …»
«Hanna kommt ganz gut ein paar Tage ohne ihre Mama klar, ich bin doch auch noch da.» Er tat entrüstet. «Und wenn meine Mutter den ganzen Tag für Tom kocht und backt und ihn mit Leckereien vollstopft, hat er am Abend vor lauter Bauchschmerzen gar keine Zeit, sich nach dir zu sehnen.»
«Herzlichen Dank. Hört sich fast so an, als könntest du es kaum abwarten, dass ich endlich verschwinde», versuchte ich, beleidigt zu sein.
Toni schenkte mir Wein nach und grinste. «Unsinn. Aber du kümmerst dich hier immer um alles, kaufst ein, kochst für uns, machst deine Partys und kommst aus Brandenburg höchstens heraus, wenn ich dich auf eine Dienstreise mitnehme.» Er stellte die Flasche auf einen Untersetzer und prostete mir zu. «Ich finde es klasse, wenn du auch mal an dich denkst. Wir kriegen das hier schon für ein langes Wochenende geregelt. Falls meine Mutter aus irgendeinem Grund nicht kommen kann, können wir immer noch Alma fragen.»
«Ach, ich weiß nicht. So kurz vor Weihnachten muss ich mich eigentlich um die letzten Bestellungen für dieses Jahr kümmern und die Adventskalender für die Kinder basteln, und dann muss ich unsere Skiausrüstungen durchsehen und schauen, ob Tom und Hanna die Anzüge vom letzten Jahr noch passen, und …» Ich bekam keine Gelegenheit, noch mehr Gründe anzuführen.
«Ja, und wenn du weiter überlegst, dann fallen dir sicher noch mindestens hundert andere Ausreden ein. Vor was hast du denn Angst, mein Schatz?» Toni nahm noch einen Schluck Wein. «Du machst dir auf Sylt mit deiner Freundin eine schöne Zeit, und die Kinder und ich, wir können uns in diesem Jahr ganz heimlich ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk für dich überlegen und Pläne für
deinen
runden Geburtstag schmieden.» Er setzte sich neben mich auf das Sofa und sah mich an. «Es tut mir auch mal ganz gut, wenn ich gezwungen bin, mich mehr um die Kinder zu kümmern. Den Pitch für das Porsche-Projekt haben wir abgegeben. Der Banken-Spot ist morgen abgedreht, die Fotos dazu machen wir übermorgen, und dann wird es bei mir erst einmal ruhiger.»
«Das sagst du immer, und dann kommt plötzlich noch ein Pitch für irgendeine Kampagne, die ihr unbedingt gewinnen müsst, oder ein Etat wird bewilligt, von dem du schon so lange geträumt hast, oder das Kind in eurem Werbespot wird krank, und ihr müsst alles noch mal neu drehen, oder …»
«Oder, oder, oder. Was soll ich tun? Beim Leben meiner Mutter schwören, dass ich mich gut um unsere Kinder kümmern werde? Ilse, ich krieg das hin. Hanna ist kein Baby mehr und kann mit anpacken, wenn es klemmt. Im allerschlimmsten Fall setzt du dich in Westerland in einen Flieger und bist eine Stunde später in Berlin. Mach dir eine tolle Zeit, und dann feiern wir Weihnachten, und danach machen wir unseren Familienurlaub im Schnee. Wie jedes Jahr.»
Jedes Jahr am zweiten Feiertag starteten wir in den Skiurlaub. Mit Freunden ging es über Silvester auf eine Hütte in Österreich. Toni tauschte für ein paar Tage seine geliebten Joggingschuhe gegen Langlaufskier, die Kinder sausten auf Snowboards und Schlitten die Berge herunter, und ich ging gemütlich spazieren oder saß in der Sonne und ließ es mir gut gehen. Skifahren hatte ich
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