Mein Leben in 80 B
Kochen noch ansah, was sie sein sollten? Ich war an den Töpfen und Pfannen nicht gerade eine Heldin. Eigentlich achtete ich nie sonderlich darauf, was ich zu mir nahm, um satt zu werden. Wenn Hanna einen Salat wollte, machte ich Salat, und wenn Tom sich zum Mittagessen Pfannkuchen wünschte, dann briet ich eben Pfannkuchen. Außer meinen Spezialitäten verfeinerte Ravioli und Spiegeleier mit Spinat reichte es aber aus, um meine Familie satt zu bekommen. Allerdings war in Falkensee auch noch nie jemand auf die Barrikaden gegangen, wenn Perle Alma etwas kochen wollte. Im Vergleich zu meinen Würstchen mit Maggie oder Pellkartoffeln mit Quark sah das hier unglaublich köstlich aus. Ich wusste nicht, wo ich mit dem Probieren beginnen sollte.
Elissa tat sich da weniger schwer. «Bohhhh, iph daph legga», schmatzte sie zwischen zwei Bissen. «Und das willst du morgen wirklich alles auftischen? Da könnt ihr ja wohl heute Nacht durchkochen.»
«Einen Teil haben wir schon fertig, und den Rest kriegen wir auch noch hin. Du musst mir nur unbedingt sagen, was dir gar nicht schmeckt. Und vor allem musst du dich wegen der Desserts entscheiden, ich habe fünf zur Auswahl, von denen schaffen wir aber bis morgen nur zwei.»
Dieser Mann litt offensichtlich nicht unter Minderwertigkeitskomplexen, was seinen Job anging. Der wusste, was er konnte. Natürlich ging ich ab und zu mit Toni essen, auch in teurere Restaurants. Das Essen gestern bei Elissa zu Hause war wirklich köstlich gewesen, aber das hier war unvergleichlich. Winzig kleine Portionen, die man sich mit einem Happs in den Mund stecken konnte und die dort eine wahre Explosion des Genusses auslösten. Zutaten und Gewürze waren so fein aufeinander abgestimmt, dass man den Bissen am liebsten zwischen Zunge und Gaumen lagern wollte. Mindestens bis ins neue Jahr. Einiges hatte ich noch nie zuvor geschmeckt, anderes noch nie in diesen Kombinationen.
Was ihm aber anscheinend nicht bewusst war, war seine besondere Wirkung auf Frauen. Elissa hatte recht gehabt, in seinem Fall aß das Auge mit. Das Essen war grandios. Wenn der Mann zu solchen kulinarischen Kreationen fähig war, was konnte der dann noch mit seinen Händen anfangen? Ich erwischte mich dabei, wie ich seine langen braunen Finger anstarrte und ins Darüber-werde-ich-nie-im-Leben-sprechen-Nirwana abtauchte.
«Na, habe ich dir zu viel versprochen?» Elissa lachte.
Ich öffnete die Augen, die ich tatsächlich geschlossen hatte, um mich noch besser auf den Geschmack zu konzentrieren. Wahnsinn. Diese Aromen gingen durch Mark und Bein. Ich fühlte mich fast wie nach richtig gutem Sex. Mir gegenüber saß ein selig lächelnder Oke.
«Wenn jemand mein Essen so genießen kann wie du, ist das für mich die schönste Belohnung», sagte er. Dann stand er auf. «Ich hole dann mal die Nachspeisen. Möchtet ihr vielleicht einen Wein trinken? Oder einen Kaffee?»
«O ja, einen Kaffee nehme ich gern», bedankte ich mich.
«Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.» Elissa biss das letzte Stückchen Lammfleisch von einem Spieß und seufzte.
«Welche Frage?»
«Ob ich dir zu viel versprochen habe.»
«Was den Koch angeht oder das Essen?»
«Das gehört doch zusammen. Wenn dir das Essen schmeckt, dann gefällt dir auch der Koch und umgekehrt.»
Ich schüttelte den Kopf. «Finde ich nicht. Ich habe schon sehr gut gegessen bei Menschen, die von Schönheit so weit entfernt waren wie Lachs von Leberkäse. Und ich habe extrem fiese Sachen aufgetischt bekommen von Köchen, die spitzenmäßig aussahen.»
«Hört, hört, meine Freundin Ilse, die Restaurant-Kennerin. Wann warst du denn das letzte Mal essen?»
«Gestern Abend.»
«Ja, bei mir zu Hause. Das zählt nicht, das waren doch eher Häppchen, und alles war fertig gekauft. Ich meine in Falkensee oder in Berlin mit Toni.»
«Lass mich überlegen, also das war …»
«McDonald’s zählt auch nicht.»
«Na gut, ich gehe nicht so oft in schicke Restaurants wie du», musste ich zugeben. «Aber ich kann gutes Essen trotzdem von schlechtem unterscheiden. Und dieses hier war phantastisch. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so besondere Geschmäcker erlebt zu haben.»
«Ich weiß, was du meinst. Und wie findest den Koch? Anfangs dachte ich, der wäre schwul, weil er so unglaublich aufmerksam und zuvorkommend ist. Vielleicht sollte ich nur noch Männer mit nach Hause nehmen, die das Bedienen richtig gelernt haben», lachte Elissa dreckig.
Ich wartete kurz mit der Antwort, da
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