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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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Schönes Haus, nette Gegend, in weniger als einer Stunde bist du mitten im Berliner Getümmel, und trotzdem hast du diese wunderbare Idylle, vor allem im Sommer.» Sie breitete die Arme aus und legte sie links und rechts auf der Rückenlehne ab, dann sah sie sich wieder um. «Jetzt im Winter sieht es natürlich ein wenig trist aus, aber du hast ein Händchen für Dekoration und Stil.» Sie deutete mit dem Kinn in Richtung Fenster. «Mit diesen runden Leuchten und den geschmückten Bäumchen und Lichterketten in eurem Vorgarten sieht es sogar an einem grauen Tag wie heute einladend aus, wenn man auf die Auffahrt kommt.»
    Inzwischen hatte ich den Milchkaffee für Elissa fertig, stellte ihn auf einem der beiden flachen Tische bei den Sofas ab und machte es mir ihr gegenüber zwischen den Kissen gemütlich. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass sie gerade vor mir saß. Aber dafür hatte ich Elissa immer schon geliebt: Auch wenn sie oft auf eine schmerzhafte Art direkt wirkte, war sie im Kern die beste Freundin, die man sich wünschen konnte. In Notsituationen stets zur Stelle, verteidigte sie wie eine Löwin, was ihr lieb war, und kümmerte sich bis zur Selbstaufgabe um diejenigen, die ihre Hilfe brauchten. So wie ich jetzt.
    «Es ist so schön, dass du hier bist», brachte ich gerade noch heraus, bevor mir wieder die Tränen kamen.
    Sanft zog Elissa mich in ihre Arme. «Ich konnte dich doch nicht mit deinem Kummer alleine lassen. Du brauchst jemanden, der einen klaren Kopf behält, damit du keine Fehler machst, die du später bereust. Und dazu hast du deine liebe Freundin Elissa.» Sie setzte sich aufrecht hin und lächelte. «Jetzt erzähl mal. Was hat dein Göttergatte zu seiner Verteidigung vorgebracht? Oder hat er zugegeben, dass da etwas läuft, bist du deshalb so fertig?» Sie sah mich erwartungsvoll an.
    «Nein, also ich meine … nichts von beidem. Wir hatten noch keine Gelegenheit, über alles zu sprechen …»
    Elissa machte ein Gesicht wie eine Lehrerin, die ihrer unartigen Schülerin eine Standpauke hält. «Ilse! Wie willst du von der Stelle kommen, wenn du Toni nicht zur Rede stellst? Bisher sind alle deine Verdächtigungen nur Vermutungen.»
    «Es hat halt nicht gepasst», rechtfertigte ich mich. «Ich muss auch an die Kinder denken. Da kann ich nicht einfach beim Abendessen fragen, ob Toni seine Geliebte nicht mal mitbringen will oder ob ich mir einen Scheidungsanwalt nehmen soll.»
    «Das verstehe ich, aber kann es vielleicht sein, dass du dich auch deshalb mit deinen Fragen zurückhältst, weil du Angst davor hast, was danach kommt?» Elissa deutete auf die Sitzgruppe. «Dass du aus deinen bequemen Sesseln raus und dich wieder selbst um dein Leben kümmern musst?»
    Ich schluckte. «Noch ist ja nichts bewiesen.»
    «Nein, das ist es nicht. Aber eins kann ich dir versprechen: Toni wird bestimmt nicht mit Pralinen und einem Blumenstrauß nach Hause kommen und sagen: ‹Meine liebe Ilse, hier ist der Brief von meinem Anwalt, schau doch mal, ob die Konditionen unserer Trennung in deinem Sinne geregelt sind. Ich habe mir eine Wohnung genommen, mach es dir hier mit den Kindern bequem.›» Sie lehnte sich wieder zurück und schnaubte durch die Nase, als könnte sie das alles nicht fassen.
    «Was willst du damit sagen?»
    «Damit will ich sagen, dass sich in meinem Freundeskreis bereits einige Paare getrennt haben», wurde Elissa laut. «Und ich kenne keines, bei dem es nach jahrelanger Beziehung und dem Anhäufen von Besitztümern ohne Streit abgegangen wäre. Es gab immer jede Menge Zoff um irgendwelche Eichentische von Oma oder Vasen aus dem Italienurlaub. Von Regelungen der Besuchszeiten für die Kinder ganz zu schweigen.»
    «Ich würde Toni niemals verbieten, die Kinder zu sehen.» Wahrscheinlich behaupteten unzählige Frauen in unzähligen Gesprächen dieser Art das Gleiche.
    «Das sagst du jetzt. Aber was ist, wenn sich herausstellt, dass Toni tatsächlich eine knackige Zwanzigjährige vögelt?» Elissa zweifelte noch immer an der Geschichte, das hörte ich ihr an. Trotzdem redete sie gnadenlos weiter. «Was ist, wenn die mit deinem kleinen süßen Tom in den Zoo oder zum Schlittschuhlaufen geht? Denkst du, das ist dir dann immer noch egal? Das glaube ich nämlich nicht.»
    «Was wolltest du mir eigentlich von Oke erzählen?», versuchte ich, Elissa auf ein anderes Thema zu bringen. Über Toni und mich konnte ich mir später Gedanken machen.
    «Ja. Oke.» Elissa trank einen Schluck Kaffee und

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