Mein Leben in 80 B
zu Ende.» Sie tätschelte mir mütterlich die Schulter. «Du bist nicht nur die Frau von Toni. Du bist auch meine Freundin Ilse. Du bist die Mutter von Tom und Hanna, die Bekannte vieler Menschen und hast Freunde, die dich mögen und brauchen, weil du so bist, wie du eben bist.» Besänftigend streichelte sie mir über den Rücken. «In einer Zeitschrift habe ich ein Interview mit Tom Hanks gelesen. Der ist seit über zwanzig Jahren mit Rita Wilson verheiratet und sagt, er sei ein glücklicher Mann, aber Rita hätte es besser treffen können. Der hat es kapiert. Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen und muss trotzdem dafür sorgen, dass es einem gut geht. Ich hab’s dir früher schon gesagt: Kümmer dich darum, dass es
dir
gut geht. Geh zur Kosmetikerin oder komm mich öfter auf Sylt besuchen und nimm dir Urlaub von deiner Familie. Aber mach um Himmels willen nicht aus allem, was mit dir zu tun hat, ein solches Drama.»
Ich hätte Elissa umarmen können. Immer schaffte sie es, unübersichtlich wirkende Probleme auf den Punkt zu bringen. Immer war sie da, wenn ich sie brauchte, immer fand sie die richtigen Worte, um mich zu trösten. Egal ob meine Kameraausrüstung auf einem Festival geklaut wurde oder mir eine Klassenkameradin den Freund ausspannte. Warum hatte ich eigentlich nicht Elissa geheiratet?
Sie saß da und sah mich an. Offenbar wartete sie auf eine Reaktion von mir.
«Bleibst du über Nacht? Hast du deine Tasche noch im Auto?» Ich wünschte, wir könnten stundenlang weiterreden.
«Ilse, so geht das nicht.» Sie zog die Stirn in Falten. Oma Etti hätte nicht besorgter aussehen können. «Du kannst nicht ständig ausweichen, wenn es hart auf hart kommt. Ich werde nicht bleiben, ich muss gleich zu meinem Termin und heute Abend zurück auf die Insel. Morgen hat Johannes King zu einem großen Fest anlässlich seiner neuen Speisekarte eingeladen, darüber schreibe ich für zwei Magazine. Das kann ich nicht sausen lassen.»
«Aber …» Der Klumpen in meinem Hals war immer noch da.
«Aber du kommst hier prima zurecht, wenn du dir selbst einen Tritt in den Hintern gibst. Zieh dir was Schickes an, koch was Tolles und mach deinem Mann einen romantischen Abend, damit er sieht, was er an dir hat – in jeder Hinsicht.»
«Das habe ich ja versucht, aber Toni ist einfach eingeschlafen.» Ich hörte selbst, wie jämmerlich das klang.
Elissa fand mich kein bisschen bedauernswert, sondern prustete los. «Waaaas? Mann, du bist echt ein Pechvogel, was? Immerhin hast du es versucht. Und besser, er schläft vor dem Sex ein als währenddessen. Immer positiv denken, Schätzchen.»
Ich spürte, wie es in mir zu kribbeln begann. «Ich hatte sogar das Top-Teil aus der neuen Lucinda-Kollektion an, um ihn richtig scharfzumachen. Und dann lag er da und hat gepennt.» Jetzt musste ich auch lachen. Im Nachhinein war es wirklich absurd. Da hatte ich mich endlich aufgerafft, um meinem Mann einen unvergesslichen Abend zu bereiten, und dann so etwas.
«Wenigstens weißt du wieder, wie es geht. Mach Toni nach dem Essen einen doppelten Espresso, und dann wiederholst du das Ganze. Wenn er trotzdem wieder wegpennt, ja dann …» Sie dachte nach.
«Was dann?»
«Dann hat er tatsächlich kein Interesse mehr an dir, und du musst dir was überlegen. Brüste vergrößern oder Arschlifting oder so!» Elissa bemühte sich um einen ernsthaften Gesichtsausdruck, kicherte dann aber doch wieder los.
Warum konnte das Leben nicht immer so leicht sein? Warum konnte ich schwierige Situationen nicht einfach laut weglachen? Warum war es so schwer, Luft abzulassen und von vorne anzufangen?
Nachdem wir uns die Lachtränen aus dem Gesicht gewischt und noch einmal ausführlich über meine aktuelle Lebenssituation gesprochen hatten, ging Elissa.
Ich verbrachte den restlichen Vormittag damit, meine Listen abzuarbeiten, neue Skihosen für die Kinder im Internet zu bestellen und den Weihnachtsschmuck aus dem Keller zu holen, um die bunten Kugeln zu reinigen und die Lichterketten zu entwirren. Gegen Mittag kam Hanna mit einer Freundin, um sich die Genehmigung für einen Übernachtungsbesuch und bei Erhalt derselben gleich die entsprechenden Klamotten dafür abzuholen. Tom war mit seinem Schulfreund fröhlich zur Klassenfahrt aufgebrochen. Ich hatte also Zeit, einen echten Ehetest-Abend zu planen und durchzuführen. Keine Kinder-Bauchschmerzen oder Teenie-Albträume würden mich dabei stören, meinen Mann für mich zurückzugewinnen.
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