Mein Leben in 80 B
die Kinder kümmere und dafür sorge, dass der Kühlschrank gefüllt ist.» Ich kam mir selbst jämmerlich vor. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass mir vor Selbstmitleid die Tränen aus den Augen schossen, die ich so mühsam zurückgehalten hatte. Ich fiel in mich zusammen wie ein misslungenes Soufflé und heulte wie ein Teenager.
Toni stand von seinem Stuhl auf, kam um den Tisch herum und legte seine Hände auf meine Schultern. «Jetzt reg dich mal wieder ab, und dann erklärst du mir in aller Ruhe, was du mit Engelchen, Häschen und Liebchen und so meinst. Ich stehe leider auf dem Schlauch und habe keine Ahnung, was hier gerade abgeht.»
Ich schniefte und versuchte, seine Hände abzuschütteln, die warm auf meinen Schultern lagen. Langsam ließ der Tränenfluss nach, und die Wut verschaffte sich wieder Raum. Wie hatte mir nur all die Jahre entgehen können, mit was für einem Lügner ich zusammenlebte? Machte einen auf Unschuldslamm, stopfte sich mein mühsam zubereitetes Menü in den Rachen und sendete seiner Liebsten nebenher eindeutige Botschaften aufs Handy.
Toni gab seufzend auf. Er nahm seine Hände von meinen Schultern und setzte sich wieder auf seinen Platz. Dann schenkte er uns Wein nach, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und reichte mir seine Serviette, als er sah, dass meine bereits vollgeheult war. Ich hatte große Lust, noch mehr Dinge an die Wand zu werfen. Aber da aller Wahrscheinlichkeit nach ich diejenige sein würde, die den ganzen Dreck wieder wegmachte, beließ ich es dabei, Toni sein Papiertuch an den Kopf zu werfen. Das tat zumindest ein bisschen gut.
Er saß immer noch da wie der Depp vom Dienst. «Geht’s wieder?», wollte er wissen und sah mich dackelig an.
«Nein, es geht nicht wieder.» Ich spürte, wie sich mein innerlicher Korken weiter löste und drohte, den Weg für eine Explosion aufgestauter Gefühle freizugeben. «Und es wird auch morgen nicht wieder gehen, wenn du nicht endlich mit dieser scheinheiligen Nummer aufhörst. Wie kannst du dich an den Tisch setzen, Wein in dich reinschütten und so tun, als wäre ich für dich die beste Ehefrau der Welt?»
«Aber das bist du doch …», wandte er hilflos ein.
Langsam ging mir auf, dass die Idee mit dem tollen Essen und der körperlichen Annäherung harmlos ausgedrückt ein absoluter Schuss in den Ofen war. Scheiß auf Diplomatie. Ich trank einen Schluck Wein, der jedem Bauarbeiter zur Ehre gereicht hätte, und ließ den Korken sausen.
«Weißt du was, du bist ein echter Drecksack! Betrügst mich und machst einen auf liebender Ehemann. Fährst in der Weltgeschichte herum und schläfst mit einer anderen – ach, vielleicht war es gar nicht nur eine, vielleicht waren es sogar mehrere? Ich habe in deinem Büro Belege für Schmuck gefunden, im Internet suchst du nach besonderen Hotels …»
Toni schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass der Brotkorb umfiel und sein Glas bedenklich wackelte. Ich hatte meinen Kelch sicherheitshalber in der Hand behalten und schenkte mir auf den Schreck großzügig nach.
«Die Frage ist ja wohl, wer hier den größeren Mist gebaut hat. Wieso fragst du mich nicht einfach, bevor du so wirres Zeug vor dich hin phantasierst?» Ich konnte mich nicht erinnern, meinen Mann jemals so wütend gesehen zu haben. «Ich habe keine Freundin oder Geliebte und auch keinen Harem. Ich betätige mich nicht nebenberuflich als Zuhälter oder Trainer einer Mädchen-Laufmannschaft. Du hast kein Recht, in meinen Unterlagen herumzuschnüffeln und in meinem Computer Dinge nachzulesen, die dich nichts angehen.»
«Selbstverständlich geht mich das etwas an!» Ich fühlte mich im Recht, schließlich hatte ich genügend Beweise gefunden.
«Ja, wenn ich dich betrogen hätte, würdest du dich jetzt bestimmt besser fühlen, weil du dann eine prima Ausrede hättest, warum du einen Fehler gemacht hast. So funktioniert es bei dir ja am besten: selber Mist bauen, und dann sind aber die anderen schuld.» Sein Ton wurde schärfer. «Hanna hat dir deinen Lebenstraum von der großen Karriere als Fotokünstlerin verdorben, weil sie zu früh auf die Welt wollte. Deine Mutter ist dafür verantwortlich, dass du so eine miese Köchin bist. Und alles andere kannst du ja mir in die Schuhe schieben.»
Ich wollte reagieren, aber mir fiel keine gute Antwort ein. Deshalb trank ich einfach weiter und hörte Toni wohl oder übel zu.
«Du musst endlich damit anfangen, dein Leben in den Griff zu kriegen. Wenn du wieder
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