Mein Leben in 80 B
ich bei den Getränken klotzen. Immer her mit dem feinen Gesöff.»
Also doch eine Art von Anerkennung, das war immerhin ein Anfang. Ich nahm den Champagner aus dem Kühlschrank und schenkte uns ein. Beim Anstoßen sah ich Toni tief in die Augen, in der Hoffnung, dort irgendetwas zu erkennen: Liebe oder Abneigung oder eine andere Gefühlsregung, die mir endlich Aufschluss gab.
Toni deutete meine forschenden Blicke anders. «Bist du sicher, dass du essen willst, oder steht dir womöglich der Sinn nach etwas anderem?» Er grinste anzüglich und leckte sich mit der Zunge über die Lippen.
«Nein, erst essen wir», betonte ich nachdrücklich. Ich stellte mein Glas ab und ging zur Anrichte, um die vorbereiteten Teller mit den Vorspeisen zu holen. Weil ich den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte, spürte ich bereits den Alkohol. Während der nächsten Gänge musste ich darauf achten, mit reichlich Wasser auszugleichen, sonst würde aus meinem hehren Plan schnell ein alkoholisierter Fressabend ohne jede Eleganz. Dafür hatte ich nicht den ganzen Tag in der Küche gestanden.
Toni war begeistert von der Vorspeise und aß anschließend mit Genuss das Rinderfilet mit Möhrchen aus dem Ofen, die Bohnen im Speckmantel und die Rosmarinkartoffeln.
Ich hatte gerade den lauwarmen Schokoladenkuchen mit Vanilleeis gekrönt und mich wieder an den Tisch gesetzt, als ein Piepsen den Eingang einer Textnachricht auf Tonis Handy anzeigte. Er murmelte «Entschuldigung» und griff nach dem Telefon, um zu nachzusehen, wer ihm schrieb.
In mir begann es zu brodeln. Toni errötete schon wieder und versuchte, meinem Blick auszuweichen, während er begann, eine Antwort in sein Handy zu tippen. Ich rührte heftig Zucker in meinen Espresso, bemühte mich, Haltung zu bewahren und den wunderbaren Abend weiter zu genießen. Toni aß einen Löffel Kuchen mit Eis und verdrehte gerade genießerisch die Augen, als das böse Telefon das Eintreffen einer weiteren SMS verkündete. Wieder ein hastiger Blick auf das Display, die Andeutung eines Lächelns … Und in mir explodierte etwas. Mit Anlauf und Alarm.
«Na, ist das die Freundin von Engelchen? Will sie auch zum Essen kommen? Spinnst du eigentlich?» Mein Espressolöffel flog quer über den Tisch und verfehlte den Kopf meines Mister-Liebesnachrichten-Versenders nur um Millimeter. «Hältst du mich für komplett bescheuert?» Es tat unglaublich gut, den ganzen Druck des Abends endlich herauszulassen. Was in französischen Spielfilmen funktionierte, klappte bestimmt auch im Einfamilienhaus in Falkensee, dachte ich und warf die Tasse dem Löffel hinterher. Das Porzellanteil segelte an Tonis Ohr vorbei gegen die Wand und prallte davon ab, ohne zu zerbrechen, was meiner aufgestauten Wut nicht besonders guttat.
Mein Mann starrte mich fassungslos an, die Hand mit dem Löffel auf halber Strecke zum Mund wie eingefroren. Das Handy neben ihm piepte weiter.
«Du kannst doch nicht in aller Seelenruhe mir gegenübersitzen und mit deinem Verhältnis Liebesbotschaften austauschen! Eigentlich hatte ich gehofft, wir kriegen das wieder hin, haben einen schönen Abend, reden über alles und machen einen Neuanfang. Aber was deine Gefühle für mich angeht, lag ich anscheinend noch mehr daneben als vermutet. Wie groß muss deine Verachtung für mich sein, wenn du zu so etwas in der Lage bist …»
Bei jedem meiner Worte wurden Tonis Augen ein Stückchen größer. Er legte den Löffel ab und schnappte nach Luft. «Ilse, warte mal, was meinst du denn mit ‹Verhältnis›? Ich verstehe nicht …», versuchte er, mich zu unterbrechen.
«Du verstehst nicht? Verstehst du das besser?» Meiner Frage folgte ein weiteres Geschoss in seine Richtung. Dieses Mal mein Champagnerglas, das sofort zu Bruch ging und an der roten Wand einen nassen Fleck hinterließ. Während ich kurz darüber nachdachte, ob man die Tapete wohl neu würde streichen müssen, versuchte ich, die Tränen zu unterdrücken, die mit aller Macht hervordrängten. «Du fährst mit irgendeinem Mädchen in ein Hotel und erzählst mir etwas von Dreharbeiten für einen Werbespot. Du bist kaum noch zu Hause, und wenn, dann verschickst du heimlich Nachrichten mit deinem Handy oder suchst nach Liebes-Fluchtburgen im Internet für den nächsten Ausflug mit deinem Häschen.» Es fühlte sich an, als rutschte der Klumpen, der seit Tagen in meinem Hals klemmte, mit jedem Satz ein Stück tiefer in meinen Magen. «Während ich zu Hause den Laden zusammenhalte, mich um
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