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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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oder eine ihrer unterbelichteten Freundinnen beim Kalorienzählen stören sollte. Aber Toni führte Sylvia bereits ins Wohnzimmer und platzierte sie auf dem Sofa. Er schenkte ihr großzügig aus der offenen Flasche Rotwein ein und grinste mich hinter ihrem Rücken an.
    «So, die Damen, dann will ich bei den Frauengesprächen nicht länger stören. Ich gehe ins Bett. Schlaft gut.» Als Toni an mir vorbeiging, streichelte er mir mit der Hand über den Po und flüsterte mir ins Ohr: «Mach nicht so lange, ich warte oben auf dich.»
    Das hatte er sich ja großartig ausgedacht. Sylvia leerte in Rekordgeschwindigkeit ihren Wein, dann starrte sie mit leerem Blick an die Wand. Ich setzte mich ihr gegenüber und schenkte uns beiden nach. «Nun erzähl mir ganz in Ruhe, was eigentlich passiert ist. Vielleicht hast du dich ja verhört oder etwas missverstanden. Manchmal kommt es vor, dass zwei Menschen ein und dieselbe Sache völlig unterschiedlich interpretieren.»
    «Ha!» Sylvias ohnehin strenge Gesichtszüge wurden noch strenger, soweit das bei den Botoxmengen unter ihrer Haut möglich war. «Von wegen, falsch interpretiert. Mein wunderbarer Ehemann hat sich heute nach dem Abendessen zurückgelehnt, sein Glas geleert und dann eiskalt verlangt, dass ich so schnell wie möglich
sein
Haus verlasse. Er würde sich um einen angemessenen Unterhalt für mich nicht drücken, aber ich könnte sicher einen Teil meiner Ausgaben künftig selbst bestreiten, da ich weder krank noch behindert wäre.»
    Wow, so viel Auflehnung hätte ich Männe gar nicht zugetraut. «Vielleicht wollte er dich nur daran erinnern, dass
er
das Geld verdient, und wünscht sich von dir mehr Wertschätzung?»
    «Ja, klar», konterte Sylvia sarkastisch. «Deswegen hat er auch die Kreditkarten zurückverlangt und meinen Autoschlüssel einkassiert.»
    Jetzt begriff ich, warum kein Wagen vor unserer Haustür gestanden hatte, offenkundig hatte Sylvia ein Taxi genommen. «Bestimmt wünscht er sich von Gundula auch einfach nur Wertschätzung, selbstgestrickte Socken und ab und an eine heiße Hühnersuppe. Gundula, schon dieser Name!»
    Vielleicht lag Sylvia damit gar nicht so daneben. Vielleicht hatte ihr Mann tatsächlich einfach Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe, statt ausschließlich als Hausbank betrachtet zu werden.
    «Und woher weißt du von Gundula?» Vielleicht hatte sie ähnlich detektivische Fähigkeiten entwickelt wie ich in meiner jüngsten Vergangenheit?
    «Das hat er mir erzählt. Du kannst dir vorstellen, dass ich komplett unter Schock stand, als er mir die Kreditkarten abgenommen und ein paar hundert Euro für die nächsten Tage hingelegt hat. Ich dachte, jeden Moment springt dieser gruselige Typ mit der versteckten Kamera um die Ecke.» Sylvia war der Schreck immer noch anzusehen. «Stattdessen musste ich mir anhören, dass da diese Frau ist. Gundula eben. Aus der Buchhaltung seiner Kanzlei. Natürlich habe ich die schon gesehen, bei Weihnachtsfeiern oder wenn ich mal da war, um ein paar Einkaufstaschen abzustellen oder so. Die sieht aus wie eine Freundin meiner Mutter. Wenn das jemand erfährt, bin ich geliefert.» Sylvia kippte den Inhalt ihres Weinglases in einem Zug herunter und schenkte sich, ohne zu fragen, den Rest aus der Flasche ein.
    «Also geht es dir gar nicht um deinen Mann, sondern darum, dass du nicht doof dastehst? Wenn dein Mann dich mit einem achtzehnjährigen Topmodel betrügen würde, würde es dir nichts ausmachen, verstehe ich das richtig?» Anscheinend hatte ich Sylvia falsch eingeschätzt.
    «Wer redet denn hier von betrügen? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Sex miteinander haben? Allein die Vorstellung ist so ekelhaft, dass ich gleich Herpes-Pickel kriege. Igitt!! Die spielen vielleicht Scrabble oder gehen walken, aber die ziehen sich doch nicht nackt aus … Oh mein Gott, nein, das
will
ich mir nicht vorstellen.»
    Sylvia blieb, was sie war: ein selbstsüchtiges, egoistisches Miststück. Eigentlich fand ich, sie hatte genau so eine Situation verdient. Und eigentlich hätte man sofort Plakate von Männe und Gundula drucken lassen und an allen Litfaßsäulen ankleben müssen, um niemanden über die neuen Tatsachen im Unklaren zu lassen. Andererseits tat mir Sylvia auch ein wenig leid. Der eigene Mann wollte lieber ein gemütliches Vollweib statt seiner durchdesignten Ehefrau, die ihr ganzes Taschengeld für eine neue Nase und pralle Pobacken ausgegeben hatte. Ihre Freundinnen waren in Wahrheit lediglich

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