Mein Leben mit Wagner (German Edition)
Karnevalshymne:
«Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo»
Entstehung
1834 ist für Wagner ein bedeutsames Jahr: Er wird Kapellmeister der (reisenden) Bethmannschen Theatergruppe, bei der er am 2. August mit Mozarts «Don Giovanni» debütiert, er lernt seine spätere Frau, die Schauspielerin Minna Planer, kennen – und er unternimmt eine Reise nach Böhmen, auf der er seine nächste Oper konzipiert. Diesmal soll es ein Ausflug ins Buffa-Fach werden, in Anlehnung an die Shakespeare-Komödie «Maß für Maß» und inspiriert sowohl von Wilhelm Heinses Italien-Satire «Ardinghello» (1787) als auch von Heinrich Laubes libertinistischem Briefroman «Das junge Europa» (1833). Laube – von Wagner bewundert und später Direktor des Wiener Burgtheaters – ist die Galionsfigur des «Jungen Deutschlands», jener literarisch-publizistischen Bewegung, die ihre Wurzeln im deutschen Vormärz und in der französischen Juli-Revolution hat. Entsprechend verwegen, ja frivol fällt Wagners neues Libretto aus, die Zensur lässt ihn erstaunlicherweise trotzdem gewähren. Anfang 1836 schließt Wagner die Partitur des «Liebesverbots» ab, bereits am 29. März (mitten in der Karwoche!) kommt es am Magdeburger Stadttheater, dem Winterquartier der Bethmannschen Kompanie, unter katastrophalen Umständen zur Uraufführung. Die Kompanie steht vor dem finanziellen Ruin, Wagner, der selbst dirigiert, hat ganze zehn Probentage, und die Sänger beherrschen ihre Partien nicht. Auf der Bühne, so Wagner später, habe ein «musikalisches Schattenspiel» stattgefunden, «zu welchem das Orchester mit oft übertriebenem Geräusch seine unerklärlichen Ergüsse zum Besten gab». Zur zweiten Vorstellung findet sich lediglich eine Handvoll Besucher ein, woraufhin die Produktion vom Spielplan verschwindet.
Besetzung
Mit Piccolo-Flöte, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten und zwei Fagotten bleibt im Orchester zunächst alles wie gehabt. Bei den Blechbläsern jedoch rüstet Wagner auf: Zu den vier Hörnern treten vier Trompeten, drei Posaunen und eine Basstuba. Und auch das Schlagwerk ist mit großer Trommel, Becken, Triangel, Kastagnetten und Tamburin ausgesprochen farbig besetzt, geradezu karnevalesk. Die «banda militare sul Theatro» (so Wagners Bezeichnung für die Bühnenmusik am Ende des zweiten Aktes, in Anlehnung an Bellini und die italienische Oper) wurde zu Wagners Zeit nach den Möglichkeiten des jeweiligen Theaters zusammengestellt, beläuft sich im Kern aber wohl auf drei (besser noch: sechs) Klarinetten, zwei Trompeten, vier Hörner und kleine Trommel. Die Hauptrollen sind Friedrich, der Statthalter von Sizilien (Bariton), der schöne junge Edelmann Claudio (Tenor) und dessen Schwester, die Novizin Isabella (Sopran). In der Literatur gilt Friedrich als Urbild des Wagnerschen Helden- und Charakterbaritons. «Von Ehrgeiz nur entflammt», heißt es im ersten Akt, verschmähte er «der Liebe stilles Glück». Wer dächte da nicht an Alberichs bösen Liebesfluch in der ersten Szene des «Rheingolds» …
Handlung
Schauplatz dieser «großen komischen Oper» in zwei Akten ist Palermo im 16. Jahrhundert. Der deutsche Statthalter Friedrich erlässt ein Liebesverbot, das die sexuellen Freizügigkeiten während der Karnevalstage eindämmen soll. Erstes Opfer des neuen Gesetzes ist Claudio, der zum Tode verurteilt wird, weil er seine Geliebte Julia geschwängert hat. Der Novizin Isabella, Claudios Schwester, gelingt es zwar, Gnade für ihren Bruder zu erflehen, allerdings soll sie sich dafür dem Statthalter hingeben. Am Ende befreit das Volk Claudio aus dem Gefängnis, der bigotte Friedrich wird abgesetzt, und die Herrschaft geht auf den König über. Das Liebesverbot mündet in eine Liebesrevolution, und der junge Wagner bricht in einen Hedonismus aus, den er sich schon im «Tannhäuser» so ungebrochen nicht mehr traut: «Verbrennt zu Asche die Gesetze! /Herbei, herbei, ihr Masken all, /gejubelt sei aus voller Brust, /wir halten dreifach Karneval /und niemals ende seine Lust!»
Musik
Zunächst ist das «Liebesverbot», nach Martin Geck, ein rechtes «Mixtum compositum», ein typisches Frühwerk auf der Suche nach sich selbst. Beethoven, Weber, Bellini und vor allem die französische Opéra comique stehen Pate, und wenn zu Beginn der grandiosen Ouvertüre lustig die Kastagnetten klappern, dann ist das auch ein augenzwinkernder Protest des Komponisten gegen alle verknöchert-restaurativen Tendenzen zuhause in
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