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Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Titel: Mein Leben mit Wagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Thielemann
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die Neuerungen, die Felix Mendelssohn Bartholdy im benachbarten Leipzig als Leiter des Gewandhauses eingeführt hat. Hurtig macht er sich an die «ächt künstlerische Reorganisation des hiesigen Musikwesens». Alsbald werden neben Gluck, Mozart, Beethoven und den Zeitgenossen auch Bach und Palestrina in seinen Konzerten gespielt, und Wagner gilt neben Mendelssohn und Berlioz als einer der ersten «Stardirigenten» der Musikgeschichte.
    In diese so erfolgreiche wie bewegte Dresdner Anfangszeit fällt mit «Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg» Wagners zweite «romantische Oper». Erste Pläne dazu stammen noch aus Paris, gerne wird auch überliefert, was der Komponist empfand, als er auf seiner Rückreise nach Dresden erstmals die Wartburg sah: «Einen seitab von ihr gelegenen fernen Bergrücken stempelte ich so gleich zum ‹Hörselberg› und konstruierte mir so, in dem Tal dahinfahrend, die Szene zum dritten Akt meines Tannhäuser.»
    Die Quellenlage ist einigermaßen diffus. Grob gesprochen verbindet Wagner hier zwei Stoffkreise: die Sage vom Minnesänger Tannhäuser im Venusberg und die Legende des historischen Sängerwettstreits auf der Wartburg zur Zeit Hermanns I. von Thüringen. Wagner studiert alles vom mittelhochdeutschen «Singerkriec Ûf Wartburc» über einschlägige romantische Bearbeitungen beider Stoffe (Tieck, von Arnim und Brentano, die Brüder Grimm, E. T. A. Hoffmann, de la Motte Fouqué) bis hin zu Zeitgenössischem von Heine und einem gewissen C. T. L. Lucas – eine unvorstellbare Arbeit neben allen Konzert- und Dirigierverpflichtungen. Dass die stoffliche Zweischneidigkeit bis in den Inhalt der neuen Oper hineinreicht, bis in den harten Gegensatz von Venusberg und Wartburg, habe ich immer als aufregend empfunden: weil es ein Symptom ist für Wagners unverbrauchtes Stürmer- und Drängertum, für die Durchlässigkeit seines schöpferischen Geistes.
    Welche Bürden das Dresdner Amt für den jungen Komponisten mit sich bringt, merkt man auch daran, dass es diesmal mit der Umsetzung der neuen Idee nicht gar so schnell geht. Das Libretto liegt zwar im April 1843 vor, erst zwei Jahre später aber kann Wagner die «Venusberg»-Partitur abschließen, und erst jetzt auch wird diese in «Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg» umgetauft. Im September 1845 beginnen an der Hofoper die Proben, welche sich unerwartet kompliziert gestalten. Joseph Tichatschek, einst ein strahlender Rienzi, plagt sich mit der Titelpartie, und ausgerechnet die Dekorationen zum zweiten Akt, die Sängerhalle auf der Wartburg, werden nicht rechtzeitig fertig. Wagner selbst dirigiert am 19. Oktober 1845 die Uraufführung, das Publikum feiert die ersten beiden Akte, kann mit dem langwierigen dritten allerdings wenig anfangen, nach acht Vorstellungen ist erst einmal Schluss. Wagner begreift das als Aufforderung zu diversen, teils gravierenden Revisionen; die erste erfolgt 1847 zur Wiederaufnahme in Dresden, die zweite 1861 in Paris. In der Zwischenzeit aber reiht sich Erfolg an Erfolg: 1849 unter Franz Liszt in Weimar, 1853 unter Louis Spohr in Kassel, 1855 die nach Wagners Fern-Anweisungen erarbeitete «Musteraufführung» in München, Berlin schließt sich 1856 an, Wien 1857, New York 1859 – es ist die erste Aufführung einer Wagner-Oper überhaupt in Amerika.

    Uraufführung des «Tannhäuser» in Dresden im Oktober 1845, mit Wilhelmine Schröder-Devrient als Venus und Joseph Tichatschek als Tannhäuser, Zeichnung von Paul Tischbein (um 1852)
    Besetzung
    Die Titelrolle des Tannhäuser gilt als eine der heikelsten Wagnerschen Tenorpartien. Ihm zur Seite stehen Herrmann (Bass), der Landgraf von Thüringen, sowie die beiden Frauen: Elisabeth (Sopran), die keusche Nichte des Landgrafen, und Venus (Mezzosopran), die glutäugige Verführerin. Die Minnesänger werden von Wolfram von Eschenbach angeführt, einem lyrischen Bariton. Chor und Ballett stellen das Personal am Hof des Landgrafen dar, außerdem die Sirenen, Najaden, Nymphen und Bacchantinnen des lüsternen Venusbergs sowie eine Schar aus Rom heimkehrender Pilger (in der Pariser Fassung kommen noch drei Grazien, Jünglinge, Amoretten, Satyre und Faune hinzu). Das Orchester präsentiert sich groß besetzt und hoch romantisch: im Graben starke Holzbläser (drei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten plus Bassklarinette, zwei Fagotte), starkes Blech (je zwei Ventil- und Waldhörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Basstuba), starkes Schlagwerk (Pauke,

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