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Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Titel: Mein Leben mit Wagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Thielemann
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große Trommel, Becken, Triangel, Tamburin) sowie Harfe und Streicher; auf der Bühne Englischhorn, vier Oboen, sechs Klarinetten, vier Fagotte, zwölf (!) Waldhörner, zwölf (!) Trompeten, vier Posaunen, Trommel, Becken und Tamburin (nebst Kastagnetten und Harfe für die Pariser Fassung). Ein wuchtiger Apparat – für eine bemerkenswert leise Partitur.
    Handlung
    Das Geschehen spielt Anfang des 13. Jahrhunderts auf der thüringischen Wartburg und in ihrer Umgebung.
    1. Akt: Im Inneren des Hörselbergs liegt Tannhäuser in den Armen von Venus («Dir töne Lob! Die Wunder sei’n gepriesen») und sehnt sich dennoch nach den Menschen zurück. Als die Liebesgöttin ihn nicht gehen lassen will, ruft er die Jungfrau Maria an, worauf der Hörselberg schmauchend versinkt und Tannhäuser sich vor der Wartburg wiederfindet. Zufällig zieht gerade eine ritterliche Jagdgesellschaft unter Führung des Landgrafen vorüber. Als Wolfram von Eschenbach seinen alten Freund Tannhäuser erkennt und ihm von Elisabeths Liebe berichtet, folgt der Held seinen früheren Gefährten auf die Burg («Zur ihr! Zu ihr! O, führet mich zu ihr!»).
    2. Akt: Elisabeth, die Nichte des Landgrafen, schwelgt in Vorfreude auf ihr Wiedersehen mit Tannhäuser («Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder»). Beide gestehen einander ihre Liebe. Zur Feier des Tages richtet Hermann ein Fest aus, die versammelten Minnesänger sollen in einen Wettstreit treten und das Wesen der Liebe besingen. Es kommt zu einer heftigen Auseinandersetzung unter den Männern, an deren Ende der völlig außer sich geratende Tannhäuser die Freuden des Eros preist («Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!»). Elisabeth wirft sich schützend vor den Geliebten, dieser wird von der zürnenden Wartburg-Gesellschaft als Pilger nach Rom geschickt, um seine Sünden zu büßen.
    3. Akt: Tannhäuser fehlt unter den aus Rom heimkehrenden Pilgern, weshalb Elisabeth verzweifelt in den Tod geht. Wolfram entbietet ihr einen letzten Gruß (im sogenannten Lied an den Abendstern). Da wankt Tannhäuser doch noch heran und erzählt von den Leiden seiner Wallfahrt («Romerzählung»). Der Papst hat ihm den Ablass seiner Sünden verweigert, in seinem Schmerz ruft der Sänger noch einmal Venus an. Ihre Erscheinung wird vom nahenden Trauerzug mit Elisabeths Leiche zerstört. Tannhäuser stirbt über Elisabeths Sarg, Pilger aber bringen einen frisch ergrünten Petrus-Stab als Zeichen seiner Begnadigung und Erlösung.
    Puh. Ziemlich kraus und heftig alles.
    Worum geht es hier? Um den Künstler – und einmal mehr um Wagner selbst. Es geht um die Balance von Gefühl und Verstand, um Widerstreit und Einklang von Kopf und Bauch. Und damit auch um das Wagnersche Mysterium schlechthin: Wie kann jemand nur ein so unverschämter Kalkulator sein und gleichzeitig ein so spontaner Musiker? Zu viel Gefühl, zu viel Sinnenhitze – das ist Venus; zu viel Vernunft – das ist der Gang nach Canossa beziehungsweise hier nach Rom. Funktionieren kann am Ende beides nicht. Tannhäuser scheitert, und vielleicht hat Wagner einfach keine gültige Fassung seiner fünften Oper hinterlassen können , weil es für diesen Konflikt keine prinzipielle Lösung gibt. Weil es zwischen Wartburg und Venusberg, Dionysos und Apoll, Eros und Agape, Oper und Drama, Trieb und Sitte nie eine stabile Synthese geben wird, sondern immer nur ein Hin oder Her: ein Leiden mal mehr am einen, mal mehr am anderen, eine vitale Spannung und Zerrissenheit.
    Ich glaube, im «Tannhäuser» spürt Wagner das zum ersten Mal am eigenen Leib: Einerseits will er mehr Weltanschauung wagen, mehr Philosophie, und andererseits kommt er eben doch (noch) nicht ganz ohne Stütze, ohne Opernkonvention aus. In der Ouvertüre bewältigt er den Spagat am überzeugendsten, aber die gehorcht auch einem relativ traditionellen Muster. Da schreiten die Pilger in ihren stabilen Rhythmen einher, der Venusberg lockt mit wilden Rubati und Accelerandi – und am Ende hat man von dem einen gekostet, ohne auf das andere zu verzichten. Über die Länge der ganzen Oper aber bringt Wagner das Gleichgewicht nicht zustande, jedenfalls nicht theatralisch, nicht inhaltlich. Die Musik sagt zwar bis zum Schluss: Hört her, ich kann’s, und wie, ich könnte alles! Der Plot aber gerät bedenklich ins Straucheln.
    Ein wenig steckt im «Tannhäuser» auch eine Mahnung an den Wagner-Dirigenten: Man muss auch vorne am Pult Maß halten lernen. Man darf sich weder dem Rauschhaften ganz

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