Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
er die ganze Klasse die Videoaufnahmen anschauen und dann benoten. Außerdem zeigte er uns Filme wie Der Manchurian Kandidat und machte uns mit der Musik von Pink Floyd bekannt. Manchmal nahmen wir uns den Tag frei und spielten Baseball. Er war jemand, der einen dazu brachte, gern in die Schule zu gehen. Er hatte sogar die passenden Witze für Jugendliche parat, was die meisten Erwachsenen nicht hinkriegen. Er war offen für jedes Thema, das wir diskutieren wollten, und gab uns Ratschläge. Solche Lehrer findet man nicht oft.
In einer seiner Stunden kam Deanna zu mir zurück. Mr Baca hatte uns irgendein Projekt gegeben und Deanna und mich mit drei anderen derselben Gruppe zugewiesen. Wir gingen alle in die Turnhalle, und einer übernahm die Videokamera, während ein Junge und ein Mädchen den Hausmeister interviewten. Ich saß auf der Treppe und schaute durch die offene Hintertür hinaus. Der Sommer kam, und die Sonne schien so hell, dass ihr Licht blendete. Ein ganz leichter Wind wehte herein. Deanna kam und setzte sich neben mich, und ich wagte nicht, mich zu bewegen oder etwas zu sagen, um sie nicht zu verjagen wie ein scheues Reh. Meine Kehle war wie zugeschnürt, sodass ich kaum Luft bekam, und am liebsten hätte ich geweint. Seit sie mich verlassen hatte, war sie mir nie so nah gewesen.
» Willst du reden? « , fragte sie.
» Worüber? « , brachte ich krächzend hervor. Ich wusste verdammt genau, worüber. Mein Herz klopfte, als ob es aus der Brust ausbrechen wollte.
» Warum hast du das getan? « , fragte sie. Sie meinte die Prügelei, die inzwischen fast einen Monat zurücklag. Seitdem hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Ich zuckte mit den Achseln und wusste nicht, was ich sagen sollte. Wir redeten eine Zeitlang über andere Dinge – über diesen Typen, der jetzt ihr Freund war, und über Domini, meine neue Freundin. Dann fragte sie, ob ich immer noch mit ihr zusammen sein wollte oder nicht.
Wenn ich da gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre ich um mein Leben gerannt. Aber ich hatte keine Ahnung. » Ja « , sagte ich, und es klang eher wie ein Fauchen. Hoffentlich spürte sie den Nachdruck und die Entschlossenheit in diesem Wort. Sie nickte, als habe sie eine Entscheidung getroffen, und ließ mich dann ohne ein weiteres Wort sitzen. Was hatte das zu bedeuten? Wollte sie zu mir zurück?
An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Ich spürte, dass etwas Großes bevorstand. Am nächsten Morgen kam Jason vorbei, und wir gingen zusammen zur Schule. Meine Nerven waren so angespannt, dass ich nicht sehr gesprächig war.
Deanna stand da und wartete auf mich, als wir ankamen, und sie gab mir zu verstehen, dass sie mich allein sprechen wollte. Ich verabredete mich für später mit Jason, und folgte ihr zu der Stelle, die wir immer » unsere Ecke « genannt hatten. Prickelnd vor Glück erzählte sie mir, sie habe den anderen jungen Gentleman abserviert. Da sie diejenige gewesen sei, die alles vermasselt habe, wolle sie es jetzt auch wieder in Ordnung bringen. In höchst offiziellem Ton fragte sie, ob ich sie zurückhaben wolle.
Ich hätte wegrennen sollen wie der Blitz. Ich hätte mir den Schädel kahl rasieren und ein Zölibatsgelübde ablegen sollen. Ich hätte diese Schmerz - Verursacherin mit rabenschwarzen Haaren zum Teufel jagen sollen. Aber ich tat nichts von alldem. Stattdessen drückte ich sie fest an mich, vergrub das Gesicht an ihrem Haar und atmete tief ein. Ihr Gesicht lag an meiner Brust, und sie sagte, sie rieche meinen Duft. Als ich fragte, was das sei, sagte sie: » Zuhause. «
Sie wollte wissen, ob ich mich von Domini getrennt hätte, und ich sagte, ich hätte sie noch nicht gesehen und deshalb keine Gelegenheit gehabt. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit schmalen Augen an, aber in ihrem Blick war kein echter Zorn und keine Eifersucht, denn sie wusste, sie hatte keine Konkurrenz.
Ob ich an diesem Abend bei Domini war und ihr sagte, es sei aus? Allerdings. Die Welt war in Ordnung, und alles andere kümmerte mich nicht. Domini hatte das Recht, mich Arschloch zu nennen, so oft sie wollte. Ich sah, dass es ihr das Herz brach, und bot ihr keinen Trost. Ich konnte nicht schnell genug wegkommen, denn ich wollte das alles nicht mehr wahrhaben. Ich wollte glauben, dass die Trennung von Deanna nie stattgefunden und dass es die Liebschaft mit Domini nie gegeben hatte. Denn insgeheim wusste ich, dass eine zerbrochene Vase, die man zusammenklebt, nie wieder so
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