Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
die Nacht hinein auf, lag auf der Couch und betrachtete den Karton mit Deannas Briefen. Es war eine Art Selbstfolter. Ich verspürte das Bedürfnis, irgendetwas zu tun, auf irgendeine Art entschlossen zu handeln. Ich wusste, nur so konnte ich mein Leben zurückerobern und in eine neue Entwicklungs- und Wachstumsphase eintreten. Ich hatte genug von diesem Stillstand.
Als ich mich entschieden hatte, stand ich von der Couch auf, schnappte mir die Briefe und ging damit ins Bad. Mit dem Feuerzeug zündete ich jeden einzelnen Brief an und ließ ihn bis zu meinen Fingerspitzen herunterbrennen, bevor ich ihn ins Waschbecken fallen ließ. So erging es der ganzen Sammlung: Ich übergab die Vergangenheit dem Scheiterhaufen. Das Badezimmer war danach voller Rauch, und meine Augen leuchteten rot. Die Erleichterung, die ich erwartet hatte, trat nicht ein, aber ich hatte mich auf einen Weg festgelegt, und ich würde ihm bis zum Ende folgen.
Ich sammelte die Asche aus dem Waschbecken und tat sie in die Schachtel, und dann blieb ich damit sitzen und wartete auf den Sonnenaufgang. Als die ersten Strahlen die Welt berührten, machte ich mich auf den Weg. Ich ging zurück zu einer Stelle zwischen den Bergen, wo wir einen Frühlingstag verbracht hatten, der eine Ewigkeit zurückzuliegen schien. Der Herbst war jetzt auf dem Höhepunkt, und das Gras war nicht mehr grün. Alles war braun, und man sah mehr Strünke als Laub. Der dunkelgraue Himmel kündigte Regen an. Der Regen peitschte mein Haar um das Gesicht, und das Flattern meines Trenchcoats klang wie das Segel eines Piratenschiffs.
Mit dem Deckel der Schachtel grub ich die Erde auf, die an jenem Tag unter uns gewesen war. Auf Händen und Knien wühlte ich in dem weichen Boden und verstreute Kürbiskerne wie ein wahnsinniges Wesen in einem alten Kindermärchen. Als ich fertig war, streute ich die Asche der Liebesbriefe auf den Samen und bedeckte alles wieder mit Erde. Ich wusste, es war sehr spät im Jahr, um noch etwas zu pflanzen, aber ich hoffte auf ein Wunder. Kürbisse sind ziemlich robust. Und frostbeständig.
Ich weiß nicht, ob sie gewachsen sind oder nicht, denn ich bin nie dorthin zurückgekehrt. Ich ließ die leere Schachtel da und ging weg. Zwei Jahre danach fühlte ich mich versucht, noch einmal hinzugehen, nur um zu sehen, wie es dort aussah. Ich malte mir aus, dass die Kürbisse dort immer noch wuchsen, die Nachkommen derer, die ich ausgesät und mit Asche gedüngt hatte. Vielleicht sogar jetzt noch, Jahrzehnte später. Der Gedanke gefällt mir. Wenn Sie sich dieses Jahr hinsetzen und eine Kürbislaterne schnitzen oder wenn Sie bei Ihrem Thanksgiving-Dinner ein Stück Kürbispastete genießen, dann ist es vielleicht einer meiner magischen Kürbisse, der seinen Weg auf Ihren Tisch gefunden hat. Dann kann ich durch einen Vertreter an Ihrem Fest teilnehmen.
Mein Leben erschien mir sinnlos. Ich lebte weiter, weil mein Körper es so gewohnt war. Ich driftete von einem Tag zum nächsten, und eigentlich war mir alles egal. Ich fing an, mit einer anderen zu schlafen, nur weil sie da war.
Domini kam mitten im Schuljahr aus Illinois, wo sie mit ihrem Dad gewohnt hatte, nach Arkansas und zog zu ihrer Mutter. Seit der Scheidung ihrer Eltern wohnte sie abwechselnd bei ihr und ihrem Vater.
Ich saß im Staatsbürgerkundeunterricht, als sie das erste Mal hereinkam. Deanna saß hinter mir (wir waren zu der Zeit noch zusammen), und zwei Freunde, Joey und Jamie, saßen rechts neben mir. Der Lehrer war ein schlecht gelaunter Italiener, der uns eben einen Vortrag darüber gehalten hatte, dass wir Zeit für unsere Hausaufgaben hätten, wenn wir nicht jeden Abend herumgondelten und » Party machten « . Ich zeigte mit einem anklagenden Finger auf Joey und sagte laut: » So ist es! « , und er tat das Gleiche.
Deanna lachte, und der schlecht gelaunte Italiener sagte: » Ausgerechnet Damien zeigt mit dem Finger auf andere. « Dabei sah er mich mit schmalen Augen an, um mich wissen zu lassen, dass seine Bemerkungen an meine Truppe gerichtet waren. Es klopfte, und er ging hinaus auf den Flur. In der Klasse explodierte wie gewohnt der Lärm, wenn keine Aufsicht da war. Als er zurückkam, war Domini bei ihm. Er stellte sie als Alia vor und sagte uns, sie gehöre von jetzt an zu unserer Klasse. Joey schüttelte sich, als finde er sie abscheulich. Ich beachtete sie kaum. Sie war ein rothaariges Mädchen mit grünen Augen und hatte seltsame Ähnlichkeit mit Axl Rose im » Welcome to the Jungle
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