Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
und gefährliche Arbeit, aber das Schlimmste war, dass ich keine Sekunde ohne Jack verbringen konnte. Wir standen bei Sonnenaufgang auf und kamen erst abends wieder nach Hause. Ich konnte nur noch zu Abend essen und schlafen gehen, um mich für den nächsten Tag auszuruhen. Tag und Nacht war ich an ihn gekettet. So ging es monatelang. Ich fing an, mein Leben zu hassen, und sah mich in alle Ewigkeit gefangen. Jack wurde von Tag zu Tag niederträchtiger, und ich war nicht der Einzige, der das bemerkte. Unsere Arbeitskollegen versuchten, nett zu ihm zu sein, aber er dankte es ihnen mit Gehässigkeit.
Ich verzweifelte immer mehr und wollte nur noch weg von ihm. Ich zermarterte mir das Hirn, wie ich mich befreien könnte. Endlich fand ich eine Antwort. Jerry Driver persönlich überreichte sie mir. Er hatte zweimal darauf bestanden, mich in die Psychiatrie einzuweisen, und das würde ich jetzt nutzen.
Auf Vorschlag meiner Mutter ging ich zum Sozialamt und beantragte Behindertenunterstützung. Sie sahen sich meinen Antrag mit detaillierten Angaben über meine Klinikaufenthalte an und erklärten mich für geistig behindert. Ich hatte ein Anrecht auf einen monatlichen Scheck. Ich durfte nicht arbeiten, solange ich diesen Scheck bezog, und so konnte ich Jack entkommen. Die Kette war zerrissen. Als ich Jason davon erzählte, lachte er und nannte es » Crazyschecks « . Die Bezeichnung blieb hängen, und von da an nannten wir mein Einkommen so. » Hast du deinen Crazyscheck schon gekriegt? « Ja, hab ich.
Doris und Ed, meine Großeltern väterlicherseits, zogen nach West Memphis, und ich fing an, einige Zeit bei ihnen zu verbringen; sie wohnten ein paar Meilen weit weg. Ich leistete meiner Großmutter Gesellschaft, wenn mein Großvater arbeitete. Ich liebe die beiden von Herzen. Ganz gleich, wie alt ich werde, bei ihnen fühle ich mich immer wie ein Kind. Bei allen anderen Leuten wäre dieses Gefühl unangenehm, aber bei ihnen hat es mich nie gestört. Es macht das Leben klar und einfach. Wenn ich meine Großmutter besuche, kann ich keine düstere Stimmung haben. Das ist unmöglich. Jason kam meistens mit, weil er wusste, dass es dort immer etwas zu essen gab. Kaum waren wir da, fing sie an, Riesenschüsseln Chili für uns zu machen, Eier mit Speck und Toast oder manchmal auch Schweinekoteletts oder Brathuhn. Zum Nachtisch gab es immer Dolly-Madison-Kuchen und eiskaltes Coke. Meine Großmutter ist eine Heilige.
Eines Tages, als ich sie besuchte, rief meine Mutter an. Meine Großmutter sagte ihr, ich sei da, und reichte mir das Telefon. Ich sprach mit meiner Mutter und meinem Vater, die beide noch in Oregon waren. Es war nicht unerfreulich; sie erkundigten sich hauptsächlich danach, was ich machte, wo ich wohnte und wie es Domini und Jason ging. Ich war zurückhaltend, hatte aber nichts dagegen, mit ihnen zu reden. So wurde es zur Gewohnheit, dass ich mit ihnen telefonierte, wenn ich bei meiner Großmutter war. Wir kamen miteinander aus, aber ich blieb bis zu einem gewissen Grad auf der Hut vor ihnen wie vor einem Hund, der mich schon einmal gebissen hatte.
Domini schwänzte die Schule jetzt öfter, als sie hinging, und blieb bei mir, wenn Jack auf der Arbeit war. Zwischen uns war nie eine glühende Romanze, aber wir leisteten einander Gesellschaft. Ich hatte kein Verlangen danach, mich noch einmal in eine Situation zu begeben, in der ich ein Trauma riskierte, wie ich es mit Deanna erlebt hatte, und bei Domini war ich in Sicherheit. Wir waren Freunde, die miteinander schliefen, und das war die einzige Art von Beziehung, zu der ich damals bereit war. Das klingt vielleicht selbstsüchtig, aber ich will ehrlich sein. Am meisten Angst hatte ich vor einem gebrochenen Herzen. Als sie mich eines Tages anrief und sagte, ich solle vorbeikommen, wusste ich, was passiert war.
Ich wusste genau, was sie sagen würde, wenn ich da wäre, aber seltsamerweise empfand ich nichts. Mir war klar, dass mein Leben sich für immer verändern würde, aber ich war merkwürdig unberührt. Ich war weder besonders glücklich noch nennenswert traurig. Weder aufgeregt noch entsetzt. Ich war Zen-Meister für einen Tag.
Als ich kam, sah Domini mich mit einem strahlenden Lächeln an. Sie hatte verschiedene Unterlagen auf dem Küchentisch verstreut, und ihre Mutter war bei ihr. Bei den Unterlagen handelte es sich um medizinische Broschüren. Ich setzte mich auf einen Stuhl, sie setzte sich auf meinen Schoß und legte mir die Arme um den Hals. Und sie
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