Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Einige vertrauten mir später an, sie hätten mich für einen gemeingefährlichen Irren gehalten, wenn ich derartige Sicherheitsmaßnahmen benötigte. Du weißt, dass du ganz unten angekommen bist, wenn Psychiatriepatienten deine geistige Gesundheit in Frage stellen.
Zum Glück brauchte ich diesmal nur zwei Wochen in der Klinik zu bleiben. Bei meinem ersten Gespräch mit der Ärztin sagte sie: » Ich habe keine Ahnung, warum sie dich wieder hergebracht haben. Ich sehe keine Veranlassung dazu. « Es hätte zu lange gedauert, ihr Drivers fixe Ideen zu erklären, und deshalb zuckte ich nur die Achseln, als wollte ich sagen: » Ich weiß nicht, warum Sie mich danach fragen. Ich sitze nur hier. « Ich wurde zwei Wochen dabehalten, weil das der ordnungsgemäße Gang war, und dann wurde ich entlassen. Am letzten Tag verabschiedete ich mich von allen anderen Patienten; ein paar von denen mochte ich wirklich. Es gibt immer eine sehr emotionale Szene, wenn jemand entlassen wird.
Als ich zum Empfang kam, stand da niemand anders als Jack Echols. Driver hatte sich mit ihm in Verbindung gesetzt, als ich in der Klinik war; er hatte ihm gesagt, wo er mich abholen sollte und dass er für mich verantwortlich sei, weil er mich adoptiert habe. Wenn ich eine Wahl gehabt hätte, wäre ich wieder in die Klinik zurückgegangen. Aber ich hatte keine. Ich würde jetzt wieder bei Jack Echols wohnen. Gefangen im endlosen Kreislauf der Hölle.
FÜNFZEHN
Die Wärter haben heute wieder eine Besichtigungsgruppe hereingeführt. Das passiert ungefähr einmal im Monat. Manchmal kommen sie mit einem Trupp von Teenagern, denen man Angst einjagen will, damit sie brav sind. Die Kids stehen dann herum und scharren mit den Füßen, und die Wärter erzählen ihnen, wenn sie so weitermachen wie bisher, werden sie früher oder später hier landen. Und der Todestrakt sei das Schlimmste, sagen sie immer. In diesem Block, erzählen sie den Touristen, sind Leute, die ihre Kinder ermorden und ihre Großmutter vergewaltigen würden. In Wahrheit sitzen die abscheulichsten Verbrecher gar nicht im Todestrakt, sondern irgendwo in der Haftanstalt und mit einem sehr viel leichteren Urteil. Die meisten Leute im Todestrakt sind nur hier, weil ihr Fall mehr Publicity hatte als andere. Der Unterschied zwischen einem Mann, der zu einer Gefängnisstrafe, und einem, der zum Tode verurteilt wird, kann auf einem nachrichtenarmen Tag beruhen.
Es sind nicht immer nur Kids, die diese Besichtigungstouren machen. Manchmal lassen sie kirchliche Gruppen herein oder Leute, die ein bestimmtes Fach studieren. Eins haben alle gemeinsam: Sie kennen meinen Namen. Oft höre ich, wie sie die Wärter fragen: » Wo sitzt Damien Echols? « Die Wärter zeigen es ihnen, und dann versammelt sich die Gruppe im Halbkreis, und alle starren mich an. Das tun sie ganz unbefangen, als wäre ich ein Tier, dem nicht bewusst ist, was da vorgeht. Als hätte ich nichts Menschliches an mir. Die meisten ahnen nicht mal, was für ein unsägliches Sozialverhalten sie damit an den Tag legen. Meine Familie war auch schon mal zu Besuch, als eine solche Gruppe durchgeführt wurde. Diese Leute stehen dann da und glotzen meine Familie und mich an, als wären wir alle hier zu ihrer Unterhaltung. Wahrscheinlich wäre es demütigend für mich, wenn meine Gefühle nicht unter einem Berg von Abscheu begraben wären.
Ich habe immer in meinem Kopf gelebt, aber sobald ich in eine Zelle gesperrt wurde, habe ich mich vollständig in die Welt des Geistes zurückgezogen, um der grässlichen Umgebung zu entkommen. Ich lasse meinen Körper hier, damit er sich mit diesem Alptraum abgibt, während mein Geist durch ganz andere Flure wandert. Manchmal muss ich auf meinen Körper hören, aber es fällt schwer. Wenn meine Aufmerksamkeit auch nur für eine Sekunde nachlässt, ziehe ich mich automatisch wieder in diese seelischen Kaninchenlöcher zurück. Man stellt sich die Seele gern als menschenförmiges Ding aus einer irgendwie geisterhaften Substanz vor, aber in Wirklichkeit ist sie eher so etwas wie ein ungeheures Spukhaus, dessen Zimmer sich ständig verschieben und bewegen und neu gestalten. Eine kleine Besenkammer verwandelt sich hinter seinem Rücken in einen riesigen Ballsaal. Dauernd bewegt sich etwas am Rand des Gesichtsfelds, und nie findet man heraus, woher die leisen Geräusche kommen, die man in irgendwelchen fernen Ecken hören kann.
Geister können fast überall spuken. Ich habe sie in der verhauchten Stimme eines
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