Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Liedes gehört und zwischen den Umschlagdeckeln eines Buches gesehen. Sie haben sich in Bäumen versteckt, sodass ihre Gesichter aus der Rinde hervorschimmern, und sie haben unter einem silbrigen Wasserspiegel geschwebt. Sie tarnen sich als Risse im Beton und besuchen dich im Delirium des Fiebers. An Sommertagen halten sie mit dir Schritt wie der Schatten deines Schattens. Sie lauern im Atem eines jungen Mädchens, das uns den ersten Kuss gibt. Ich habe Männer gesehen, die bis an den Rand des Wahnsinns von Dingen verfolgt wurden, die es niemals gegeben hat, und von Dingen, die es hätte geben sollen. In den Konturen eines Frauengesichts habe ich Geister gesehen, und ich habe sie gehört im Klirren eines Schlüsselbunds. Die Geister im Feuer gefrieren, die im Eis verbrennen. Manche sind vor langer Zeit gestorben, andere wurden nie geboren. Manche treiben im Blut meiner Adern bis in mein Gehirn. Manchmal verwechsle ich mich selbst mit einem Geist. Manchmal bin ich einer.
SECHZEHN
Bei Jack zu wohnen war jetzt schlimmer als je zuvor. Ich spürte, dass er mich eigentlich nicht dahaben wollte, dass er aber annahm, er habe keine Wahl. Während ich in Oregon gewesen war, hatte er ein kleines Zimmer in West Memphis gemietet, das kaum größer als ein Wandschrank war, und jetzt musste er sich etwas Neues suchen. Was er fand, war ein winziger Trailer in Lakeshore, eigentlich nicht groß genug, um einander aus dem Weg zu gehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in der ganzen Zeit mit meinen Eltern gesprochen hätte, aber es kann sein, dass meine Mutter Kontakt mit Jack hatte.
Es war keine Überraschung, dass Jack auf der ganzen Welt keinen einzigen Freund hatte. Wenn er nicht arbeitete, verbrachte er jeden Augenblick in einem Sessel vor dem Fernseher. Wenn er mich nicht anschrie, kannte er nur ein einziges Gesprächsthema: wie meine Schwester sein Leben ruiniert hatte, indem sie dem Jugendamt erzählte, er habe sie belästigt, und wie sehr meine Mutter ihm unrecht getan hatte, als sie die Scheidung einreichte. Er ekelte mich an, und ich hasste seinen bloßen Anblick in seinen schweißfleckigen Hemden.
Er ging jeden Abend um acht ins Bett, und das bedeutete, dass ich es auch tun musste. Nach acht durfte ich kein Licht mehr haben, weil er behauptete, es halte ihn wach, und so konnte ich nicht lesen. Ein Telefon hatten wir nicht. Ich konnte weder fernsehen noch Radio hören, und nicht einmal ein Walkman war erlaubt. Er meinte, er könne ihn in seinem Zimmer hören, auch wenn der Kopfhörer fest auf meinen Ohren saß. Nach sechs Uhr konnte ich nicht mehr weggehen, weil er dann aufbleiben musste, um mich hereinzulassen. Als ich ihn fragte, warum er mir nicht einfach einen Schlüssel gab, sagte er, dann könne er die Kette nicht vorlegen, und außerdem würde ich ihn wecken, wenn ich hereinkäme. Er hatte drei Schlösser an der Tür und fand es trotzdem noch notwendig, einen Stuhl dagegenzuklemmen, damit niemand einbrechen konnte. Das Einzige, was ein Dieb hätte klauen können, war ein Glas mit Pennys neben seinem Bett und ein riesiges Bild von Jesus im Wohnzimmer. Nur ein echter Crackhead wäre da eingebrochen.
Jack Echols war immer wütend. Manchmal siedete es nur in ihm, und dann wieder bekam er Tobsuchtsanfälle, aber die Wut war immer da. In einer so winzigen Behausung konnte ich nicht auf Zehenspitzen um ihn herumschleichen oder mich unsichtbar machen, und deshalb richtete seine Wut sich immer gegen mich. Er tat nichts, er hockte immer nur in seinem Sessel und schmorte und kochte und füllte das Zimmer mit Elend und Hass. Es war unerträglich. Brian war nach Missouri gezogen, als ich aus der Klinik gekommen war, und so war Jason meine einzige Zuflucht. Ich schlief so oft wie möglich bei ihm.
Aus unerfindlichen Gründen hatte Jerry Driver gesagt, ich müsse mich einmal in der Woche in seinem Büro melden. Jeden Montag unternahm ich die Fünf-Meilen-Wanderung dorthin, damit er und seine beiden Sidekicks (Steve Jones und einer, der mit Nachnamen Murray hieß) mich ausfragten. Sie waren nicht mehr freundlich zu mir; sie hatten ihre Taktik geändert und benahmen sich regelrecht feindselig. Meistens waren Driver und ich allein, aber wenn einer der beiden anderen dabei war, schien er tief in Gedanken versunken zu sein, während Driver mir eine Frage nach der anderen zu meinen » satanischen Aktivitäten « stellte.
Jack arbeitete bei einer Dachdeckerfirma, und während der Wintermonate und an Regentagen wurde die Arbeit
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