Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
offenstanden.
Sie suchten eine Bleibe und fanden einen zusehends verrottenden Trailer in Lakeshore. Sie hatten einen Lieferwagen für ihre Sachen besorgt, aber ein hundert Pfund schweres schwangeres Mädchen und eine halbgelähmte Frau sind alles andere als geeignet für einen Umzug. Am Ende blieb der größte Teil des Be- und Entladens an mir hängen, aber das machte nichts. Es gab mir Gelegenheit, all die interessanten Dinge anzuschauen, die sie gehortet hatten: alte Vogelkäfige, Jointklammern in Form von Schlangen, stockfleckige Bücher und verschiedene andere Kostbarkeiten. Sie machten sich jetzt ziemliche Sorgen, wie sie zurechtkommen sollten.
Unterdessen erhöhte Jack seinen Druck auf mich. Dauernd warf er mir etwas vor, das ich nicht getan hatte – dass ich beispielsweise Partys feierte und Leute in sein Zimmer ließe, wenn er auf der Arbeit sei. Ich kannte gar nicht genug Leute für eine Party, und in seinem Zimmer war nichts, wofür es sich lohnte hineinzugehen. Er tobte und wütete, schrie mich an und reckte mir das Gesicht entgegen, aber er unterließ es, mich zu schlagen. Ich merkte ihm an, dass er es manchmal gern getan hätte, aber er ließ es bleiben.
Eines späten Abends hielt ich es nicht mehr aus. Als er mich wie üblich anbrüllte, stand ich einfach auf und ging zur Tür hinaus, während er noch mitten in seiner Tirade war.
Es war kalt und dunkel und nieselte, als ich durch die Straßen von Lakeshore wanderte. Es muss noch Winter gewesen sein, denn ich erinnere mich, dass ich eine Lederjacke anhatte. Anscheinend ist es immer kalt und dunkel und nieselt, wenn ich bedeutsame emotionale Veränderungen durchmache. Ich trug damals einen alten schwarzen Schlapphut, und es gefiel mir zu sehen, wie der Regen von der Krempe tropfte. Ich kam mir dann vor wie eine Figur aus einem Spaghetti-Western. So lief ich zwei Stunden herum, bevor ich schließlich zu Domini ging, wo ich in dieser Nacht schlief.
Am nächsten Tag, als Jack auf der Arbeit war, holte ich meine Sachen und brachte sie zu Domini. Mit meinem » Crazyscheck « und dem Geld, das Domini von ihrem Vater bekam, konnten wir die Miete bezahlen und uns ernähren. Wir kauften sogar ein paar Sachen für das Baby, das wir bald haben würden. Ein Auto konnten wir uns nicht leisten, und deshalb blieb ein anständiger Job für mich unerreichbar. Wenn ich nur eine Möglichkeit hätte, jeden Tag über die Brücke nach Memphis zu fahren, würde ich auch eine gute Arbeit finden können, davon war ich überzeugt.
Domini ging wegen ihrer Schwangerschaft von der Highschool ab, und wir verbrachten die Tage miteinander. Wir gingen spazieren, sahen fern, fütterten die Enten, die an den See kamen, oder leisteten ihrer Mom Gesellschaft und hörten dabei Musik. So vergingen mehrere Monate. Wir sprachen über das, was wir tun würden, wenn das Baby da wäre, und waren uns einig, dass wir heiraten sollten, ohne dass wir je handfeste Pläne schmiedeten.
Ich telefonierte weiter mit meinen Eltern, und nicht lange, nachdem ich ihnen von Dominis Schwangerschaft erzählt hatte, teilten sie mir mit, dass sie nach Arkansas zurückkommen wollten. Anscheinend lief es in Oregon nicht so gut für sie. Ich wusste nicht genau, wie ich das finden sollte, denn mir war klar, es bedeutete, dass sie wieder in mein Leben zurückkehren würden. Das konnte gut sein, es konnte aber auch schlecht sein. Die Zeit würde es erweisen. Sie würden in ungefähr einer Woche da sein. Ich gab ihnen unsere Adresse, damit sie uns besuchen konnten, wenn sie in der Stadt wären.
In diesen stillen, ruhigen, ereignislosen Monaten mit Domini erlag ich dem Glauben, die Dinge würden sich niemals ändern. Ich wollte nicht, dass alles in Ewigkeit blieb, wie es war, aber es sah so aus, als hätte ich in dieser Frage keine große Wahl. Ich welkte dahin. Seit meiner Kindheit hatte ich das Gefühl, ich täte nichts anderes, als darauf zu warten, dass mir mein spezieller Platz in der Welt offenbart wurde. Oft hatte ich Angst, ich könnte den Augenblick verpassen, in dem es passierte. Ich spürte, dass das stagnierende Leben, das ich führte, nicht das war, was mir bestimmt war, aber ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich konnte nur warten, warten, warten. Ich wusste, es war mir nicht bestimmt, in einem Trailerpark zu leben und zu sterben, von dem der Rest der Welt nie gehört hatte.
Meine Eltern kamen eines frühen Morgens zu Frühjahrsbeginn in Arkansas an. Domini und ich waren noch im Bett und
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