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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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schliefen, als meine Mutter und meine Schwester an die Tür klopften. Dominis Mom ließ sie herein. Ich hörte sie im Wohnzimmer reden und dachte mir, ich sollte wohl aufstehen. Der Südstaatenakzent meiner Mutter schien allenfalls noch stärker geworden zu sein, während sie weg war. Es war sehr merkwürdig, ihre leibhaftige Stimme wieder zu hören. Irgendwie war der Tag dadurch etwas Besonderes, wie ein Feiertag.
    Ich ließ mir absichtlich Zeit beim Anziehen und Kämmen, bevor ich ins Wohnzimmer ging – hauptsächlich, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Als ich schließlich hereinkam, sah ich meine Mutter und meine Schwester in Sesseln sitzen. Meine Schwester machte große Augen, sagte aber nichts. Mein Vater war nicht da, und ich fragte mich, ob das etwas zu bedeuten hatte. Meine Mutter drehte sich um und sah, dass ich sie anschaute, und sie kam eilig herüber und umarmte mich. Das Erste, was mir auffiel, war, wie sehr ich gewachsen war. Ich war jetzt einen ganzen Kopf größer als sie. Während meine Mutter theatralisch die paar erforderlichen Tränen vergoss, umarmte ich meine Schwester und fragte, wo mein Vater sei. Er war in ihrem neuen Haus und lud die Sachen aus. Mein kleiner Bruder war bei ihm. Er würde sich bei meiner Großmutter Doris mit uns zum Frühstück treffen.
    Domini und ich gingen mit dorthin und hörten uns unterwegs Geschichten von ihren Abenteuern in Oregon an. Obwohl sie eine Woche unterwegs gewesen waren, machten sie einen ausgeruhten und fröhlichen Eindruck. Als ich meinem Vater gegenüberstand, sah ich so etwas wie Zweifel in seinem Gesicht, als wüsste er genauso wenig wie ich, was er tun sollte. Er war nervös und unsicher.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, und umarmte ihn einfach. Domini tat es auch, und das schien ihn zu beruhigen. Die Verlegenheit verging, und er benahm sich wieder wie immer. Was mir an meinem Vater vertrauter ist als alles andere, ist sein Husten. Weil er sein Leben lang geraucht hatte, hustete er viel, und wenn ich ihn husten hörte, war ich aus irgendeinem Grund entspannt. Es stimmte mich milde gegen meine beiden Eltern – vielleicht, weil es mich daran erinnerte, dass sie beide auch nur Menschen waren, den gleichen Unzulänglichkeiten unterworfen wie jeder andere. Meine Mutter war fünfzehn gewesen, als sie mit mir schwanger wurde; sie hatten beide die Highschool abgebrochen und nie ein anderes Leben kennengelernt.
    Ich war wenigstens fähig zu wissen, dass noch ein anderes Leben möglich war, auch wenn ich Mühe hatte, es zu verwirklichen. Sie dagegen glaubten, das Leben, das sie führten, sei das einzige, das es gab. Sie hatten nicht genug Fantasie, um sich etwas anderes vorzustellen, und nicht genug Sehnsucht, um es zu erreichen. Ich hatte Mitleid mit ihnen. Ich habe es manchmal immer noch, obwohl das nicht heißt, dass sie mich mit ihrer gleichförmigen Idiotie nicht gelegentlich an den Rand des Wahnsinns bringen. Sie haben aus ihren Fehlern nie etwas gelernt. Vielleicht wäre es einfacher für alle, wenn ich aufhören würde, es von ihnen zu erwarten.
    Als sie sich in ihrem neuen Haus eingerichtet hatten, fing ich an, Zeit bei ihnen zu verbringen. Ich wohnte abwechselnd bei Domini und im Haus meiner Eltern. Das tat auch Domini manchmal, und Jason übernachtete ebenfalls manchmal bei uns. Einmal nannte er mich lachend einen Nomaden, nachdem wir beide Häuser besucht hatten und dann zu meiner Großmutter weitergingen, um zu sehen, ob sie etwas Leckeres auf den Tisch bringen würde. Als er es einmal erwähnt hatte, fühlte ich mich tatsächlich ein bisschen wie ein Zigeuner. In dieser Zeit hatte ich nie Streit mit meinen Eltern, vielleicht weil ich mich ihnen immer entziehen konnte.
    Ich war jetzt rechtlich gesehen erwachsen und ein werdender Vater, und ich lebte in einer Beziehung, die ganz sicher in eine Ehe münden würde. Ich hätte Domini niemals verlassen. Manchmal glaube ich, das lag nur an meiner blanken Entschlossenheit, nicht die gleichen Fehler zu begehen wie mein Vater. Aber verliebt war ich nicht.
    Ich dachte oft an Deanna und fragte mich, was passiert war. Durch einen puren Zufall (ich benutze dieses Wort, aber ich glaube nicht, dass es so etwas gibt) erfuhr ich, wo Deannas Familie jetzt in die Kirche ging. Die Möglichkeit, sie wiederzusehen, ließ mir keine Ruhe. Sie ging mir nicht aus dem Kopf. Dauernd fragte ich mich, was passieren, wie sie reagieren und was ich in ihren Augen sehen würde, und ich hatte

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