Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
will es auch nicht wissen. Als das erledigt war, legte ich mich auf mein Betonbett und blätterte in einer von Chads Illustrierten. Er war kein großer Leser, aber er liebte die Bilder. Er war auch nicht allzu begeistert davon, die einzige Gesellschaft zu verlieren, die er hatte, aber ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, vor ihm zu verbergen, was ich tat. Ich dachte, das sei nicht nötig.
Das Gefühl, das mich vor allem überkam, war eine Müdigkeit, die körperlich wehtat. Ich wollte schlafen, und zwar mehr, als ich in meinem ganzen Leben irgendetwas gewollt hatte. Ich schloss die Augen und ließ los. Im nächsten Moment brach die Hölle los. Ungefähr zehn Wärter stürmten herein. Chad hatte ihnen erzählt, was ich getan hatte. Er wollte nicht wieder allein sein, und schon gar nicht mit einem Toten. Ich hörte sie reden, aber ich bekam die Augen nicht mehr auf. Jemand öffnete sie und leuchtete mit einer Taschenlampe hinein. Jemand anders flößte mir eine ekelhaft schmeckende Flüssigkeit ein und befahl mir zu schlucken. Es war irgendein Brechmittelsirup. Dann setzten sie mich auf den Rücksitz eines Autos und fuhren mit 150 Meilen pro Stunde in eine Klinik. Inzwischen war ich so verwirrt, dass ich mich dauernd fragte, ob das Medikament jetzt wirkte oder ob ich schon tot war. Ich versuchte dem Cop am Steuer zu sagen, dass wir längst da wären, wenn wir auf einer schwarzen Riesenspinne geritten wären. Leider funktionierte aber mein Mund nicht so, wie ich es wollte.
Was an diesem Abend im Krankenhaus geschah, weiß ich nicht mehr genau. Ich erinnere mich, dass es irgendwo in Monroe County war. Als jemand mir einen Schlauch durch die Nase in die Kehle schob, wachte ich kurz auf. Zwei Polizisten saßen vor mir und schauten zu, und Ärzte und Schwestern bewegten sich schnell. Wir dürfen doch den Star der Show nicht sterben lassen, oder?
Zweimal wurde ich in der Nacht geweckt, weil jemand mir in die Augen leuchtete und wissen wollte, ob ich mich an meinen Namen erinnerte, aber während mir der Magen ausgepumpt wurde, schlief ich die ganze Zeit. Als ich schließlich irgendwann am nächsten Tag aufwachte, lag ich auf einer Intensivstation.
Mein vom Gericht bestellter Anwalt, Scott Davidson, besuchte mich zum ersten Mal, als ich im Krankenhaus war. Er blieb vielleicht zehn Minuten, gerade lange genug, um sich vorzustellen und meiner Familie sagen zu können, wo ich mich befand. Er machte ein ungläubiges Gesicht, als ich sagte, ich sei unschuldig. Im Laufe des folgenden Jahres habe ich ihn noch ungefähr dreimal gesehen, und niemals länger als dreißig Minuten. Man sollte annehmen, dass Anwälte eine Menge Zeit darauf verwenden, dich vorzubereiten, wenn du vor Gericht gestellt und möglicherweise zum Tode verurteilt werden sollst. Aber das tat meiner nicht. Er sagte mir nicht, wie er sich auf den Prozess vorbereitete, und er gab mir auch keine Vorstellung von dem, was ich zu erwarten hatte oder was ich inzwischen tun sollte. Vielleicht werden Kapitalverbrechen so behandelt, dachte ich. Der Kerl ist schließlich Anwalt; also muss er doch wissen, was er tut, oder? Sie würden mir doch keinen Anwalt zuweisen, der nichts kann oder dem der Fall egal ist.
Ich hatte noch viel zu lernen.
Dasselbe Gericht, das gegen mich verhandelte, bezahlte auch meinen Verteidiger. Sehen Sie es mal so: Würden Sie jemanden engagieren, der Sie dumm aussehen lässt und Ihnen Ihre Fehler unter die Nase reibt? Nein. Sie bezahlen einen, der weiß, wo sein Platz ist, und der sich an die Vorgaben hält. So jemand kriegt das gleiche Geld, ob er den Prozess gewinnt oder verliert. Warum also soll er sich allzu sehr anstrengen? Wenn ich diese Anwälte später im Prozess fragte, warum sie auf diesem Punkt nicht entschiedener beharrten oder jene Entscheidung nicht anfochten, antworteten sie mir: » Wir müssen jeden Tag mit diesem Richter zusammenarbeiten, und deshalb möchten wir ihn nicht verärgern. «
» Außerhalb jedes berechtigten Zweifels « und » Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils « hatten das Gebäude verlassen. Wenn sie sich erst mal die Mühe gemacht haben, dich zu verhaften und vor Gericht zu stellen, dann fährst du auch ein – es sei denn, du hättest ein, zwei Millionen Dollar zur Verfügung, um ein paar echte Revolvermänner zu engagieren, die dir helfen. Aber ich war damals ein tumber Tor. Feucht hinter den Ohren. Ich dachte, der Sinn der Justiz besteht darin, für Gerechtigkeit zu sorgen. So läuft es im Fernsehen.
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