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Mein Leben Ohne Gestern

Mein Leben Ohne Gestern

Titel: Mein Leben Ohne Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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dich zuerst verloren. Ich habe Alzheimer. Was für eine verdammte Ausrede hast du?«

    Sie nahm Dosen und Kartons und Flaschen, Gläser und Teller und Schüsseln, Töpfe und Pfannen heraus. Sie stapelte alles auf den Küchentisch, und als ihr der Platz dort ausging, nahm sie den Boden.
    Sie holte jeden einzelnen Mantel aus dem Dielenschrank, öffnete alle Reißverschlüsse und stülpte alle Taschen um. Sie fand Geld, abgerissene Eintrittskarten, Taschentücher und nichts. Jeden unschuldigen Mantel, den sie durchsucht hatte, warf sie auf den Boden.
    Sie schleuderte die Kissen von den Sofas und Sesseln. Sie leerte ihre Schreibtischschublade und den Aktenschrank aus.Sie kippte den Inhalt ihrer Büchertasche, ihrer Laptoptasche und ihrer himmelblauen Handtasche aus. Sie sichtete die Haufen, berührte jeden Gegenstand mit den Fingern, um das Wort dafür im Kopf aufzurufen. Nichts.
    Für ihre Suche war es nicht erforderlich, sich einzuprägen, wo sie bereits nachgesehen hatte. Die Haufen zutage geförderter Dinge zeugten von ihren bisherigen Ausgrabungsorten. Scheinbar hatte sie das ganze Erdgeschoss abgegrast. Sie schwitzte, war wie manisch. Sie gab nicht auf. Sie rannte nach oben.
    Sie durchwühlte den Wäschekorb, die Nachttische, die Kommodenschubladen, die Schlafzimmerschränke, ihre Schmuckschatulle, den Wäscheschrank, das Medizinschränkchen. Die Erdgeschosstoilette . Sie rannte die Treppe wieder hinunter, schwitzend, manisch.
    John stand in der Diele, bis zu den Knöcheln in Mänteln.
    »Was zum Teufel ist denn hier passiert?«, fragte er.
    »Ich suche etwas.«
    »Was denn?«
    Sie konnte es nicht benennen, aber sie war sich sicher, dass sie es irgendwo in ihrem Kopf gespeichert hatte und wusste.
    »Ich werde es wissen, wenn ich es finde.«
    »Hier herrscht ja das reinste Chaos. Es sieht aus, als ob bei uns eingebrochen wurde.«
    Das hatte sie nicht bedacht. Das würde erklären, wieso sie es nicht finden konnte.
    »Oh mein Gott, vielleicht hat es jemand gestohlen.«
    »Bei uns wurde nicht eingebrochen. Du warst es, die das ganze Haus auf den Kopf gestellt hat.«
    Sie entdeckte einen unberührten Korb mit Zeitschriften neben der Couch im Wohnzimmer. Sie ließ John und die Diebstahltheorie in der Diele zurück, hob den schweren Korb an, kippte die Zeitschriften auf den Boden, wühlte in ihnen herum und ging dann weg. John folgte ihr.
    »Hör auf, Alice, du weißt ja gar nicht, wonach du suchst.«
    »Doch, das weiß ich.«
    »Wonach denn?«
    »Ich kann es nicht sagen.«
    »Wie sieht es denn aus, und wofür ist es gut?«
    »Ich weiß es nicht, ich habe dir doch gesagt, ich werde es wissen, wenn ich es finde. Ich muss es finden, sonst werde ich sterben.«
    Sie dachte über das nach, was sie soeben gesagt hatte.
    »Wo sind meine Medikamente?«
    Sie gingen in die Küche, stolperten über Kartons mit Müsli und Dosen mit Suppe und Thunfisch. John fand ihre zahllosen Medikamenten- und Vitaminfläschchen auf dem Boden und den Sieben-Tage-Spender in einer Schale auf dem Küchentisch.
    »Hier sind sie«, sagte er.
    Der Drang, dieser Kampf auf Leben und Tod, ließ einfach nicht nach.
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Das ist doch Wahnsinn. Du musst damit aufhören. Das Haus ist eine Müllhalde.«
    Müll.
    Sie öffnete den Abfalleimer, nahm die Plastiktüte heraus und leerte sie aus.
    »Alice!«
    Sie fuhr mit den Fingern durch Avocadoschalen, glitschiges Hühnerfett, zerknüllte Taschentücher und Servietten, leere Kartons und Verpackungen und andere Abfall-Dingsdas. Sie sah die Alice-Howland -DVD. Sie hielt die nasse Hülle in ihren Händen und betrachtete sie. Oh, die wollte ich doch gar nicht wegwerfen.
    »Da ist es ja, das muss es sein«, sagte John. »Gott sei Dank hast du es gefunden.«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Na schön, bitte sehr, der Boden ist voller Abfall. Höreinfach auf, setz dich hin und entspann dich. Du bist ja ganz außer dir. Wenn du aufhörst und dich entspannst, vielleicht fällt es dir dann wieder ein.«
    »Okay.«
    Vielleicht würde sie sich, wenn sie still dasaß, erinnern, was es war und wo sie es hingetan hatte. Oder vielleicht würde sie auch vergessen, dass sie überhaupt je nach irgendetwas gesucht hatte.

    Tags zuvor hatte es zu schneien begonnen, und jetzt, als der Schnee etwa einen halben Meter hoch über einem Großteil Neuenglands lag, hatte es wieder aufgehört. Vielleicht hätte sie es gar nicht bemerkt, wenn die Scheibenwischer auf der frisch getrockneten Windschutzscheibe nicht so

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