Mein Leben ohne Limits
wissen bis heute nicht, ob das neue Medikament, seine positive Einstellung, ein Wunder oder eine Kombination aus allen drei Faktoren den Krebs besiegt hat. Fakt ist, dass Chuck stark wie ein Löwe und krebsfrei das Krankenhaus verließ. Trotz aller Anzeichen für das kommende Ende wählte Chuck eine positive Haltung. Er konzentrierte sich nicht auf die Krankheit, sondern auf seinen Platz im Leben, seine Hoffnung, seinen Glauben und die Überzeugung, dass er gebraucht wurde.
DARF’S EIN BISSCHEN MEHR SEIN?
Chuck und Linda haben sich beide für eine Haltung entschieden, die ihnen den Umgang mit ihrer Situation ungemein erleichtert hat. Trotzdem unterscheiden sich ihre Einstellungen. Linda wollte lieber dankbar sein als verbittert. Chuck wollte lieber aktiv werden als aufzugeben. Es gibt eine reiche Auswahl an Möglichkeiten. Ich halte die folgenden Einstellungen für die effektivsten:
1. Eine dankbare Einstellung
2. Eine aktive Einstellung
3. Eine mitfühlende Einstellung
4. Eine vergebende Einstellung
1. Eine dankbare Einstellung
Linda, die Musiklehrerin, setzte ihren Unfallverletzungen Dankbarkeit entgegen. Anstatt darüber zu trauern, was ihr alles genommen worden war, übte sie, dankbar zu sein. Sie war froh über alle Körperfunktionen, die sich erholten. Sie war stolz auf das Leben, das sie sich aufgebaut hatte.
Ich glaube inzwischen fest an die Kraft der Dankbarkeit. Wenn ich vor Leuten stehe, spreche ich oft über meinen kleinen Fuß. Ich möchte nicht, dass sich die Zuhörer unwohl fühlen, weil sie das kleine Anhängsel sehen. Mit etwas Humor fällt es ihnen leichter. Zugleich bin ich sehr dankbar für mein Füßchen: Ich bediene den Rollstuhl damit, kann mit einer Geschwindigkeit von mehr als vierzig Wörtern pro Minute tippen, spiele damit Keyboard und digitales Schlagzeug oder bediene mein Handy.
Wenn man Dankbarkeit an den Tag legt, zieht das automatisch Leute an. Manchmal ergeben sich daraus ganz neue Ideen und dein Leben wird bereichert. Als Kind las mir meine Mom oft Bücher vor. Eins meiner Lieblingsbücher hieß Der Gott, den ich liebe. Ich glaube, ich habe es mit sechs Jahren zum ersten Mal vorgelesen bekommen. Damals kannte ich noch niemanden, der wie ich ohne Arme und Beine lebte. Ich hatte keinerlei Vorbilder und Leidensgenossen. Aber dieses Buch gab mir Kraft und legte in mir den Grundstein für eine dankbare Lebenshaltung. Ich denke heute noch oft an die Geschichte. Es ist die Geschichte von Joni Eareckson Tada.
Joni war siebzehn und eine hervorragende Schwimmerin und Reiterin aus Maryland. Ein paar Wochen vor ihrem ersten Semester am College brach sie sich beim Sprung in einen See das Genick. Seit diesem Unfall 1967 ist sie querschnittsgelähmt. In ihrer Lebensgeschichte beschrieb Joni ihre anfängliche Verzweiflung und die Selbstmordgedanken, die sie quälten. Aber irgendwann veränderte sich ihre Sicht. Sie kam zu der Überzeugung, dass weder der Kosmos eine Münze geworfen hatte noch beim großen Roulette im Universum die Kugel zufällig auf ihre Zahl gefallen war. Nein, Gott hatte in ihrem Leben diese Station zugelassen.
Ich liebte Jonis Buch. Später kaufte mir Mom eine CD mit ihren Liedern. Zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich Texte wie „Sind wir nicht alle auf Rädern unterwegs“, die davon handelten, wie viel Spaß man mit einem Rollstuhl haben kann, oder „Nobody’s perfect“. Als Kind habe ich mir die Lieder immer wieder angehört. Manchmal ertappe ich mich heute noch dabei, wie ich sie summe. Du kannst dir sicher vorstellen, wie aufregend es war, als ich 2003 persönlich zu Joni eingeladen wurde.
Ich war gerade in den Vereinigten Staaten, um in Kalifornien in einer Kirche meine Geschichte zu erzählen. Nach dem Vortrag kam eine junge Frau zu mir, die für Joni arbeitete. Sie stellte sich vor und lud mich in das Hauptquartier von Jonis Wohltätigkeitsorganisation Joni and Friends nach Agoura Hills ein.
Ich war erst total befangen, als Joni in den Raum kam. Sie beugte sich vor, um mich zu umarmen, und dann passierte etwas Spannendes. Weil Joni querschnittsgelähmt ist, hat sie sehr wenig Körperkraft. Sie hatte Schwierigkeiten, sich wieder in den Rollstuhl zurückzulehnen. Also gab ich ihr mit meinem Oberkörper instinktiv einen leichten Schubs.
„Du bist aber stark!“, sagte sie.
Ich freute mich natürlich wahnsinnig über dieses Kompliment. Joni Eareckson Tada, diese unglaubliche Frau, die mir schon als Kind so viel Selbstvertrauen und Hoffnung
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