Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
darauf, dass sie sich an den kürzlichen Tod seiner Frau erinnert hatte.
Was für ein alter Mann er doch war! Es fiel ihr schwer, ihn anzusehen – diese ganze überflüssige Haut, die ihm in schweren Falten um den Hals fiel, und diese aufgedunsenen Tränensäcke, die halb auf seine Wangen herabhingen. Aber er musste reich sein. So reich, wie ihr Vater behauptet hatte, wenn er sich einen juwelenbesetzten Gürtel leisten konnte, der um seinen ausladenden Bauch reichte.
»Eure Tochter ist Eurer reizenden Frau wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte Hume. »Und sie hat genug Feuer, einen Mann jung zu halten.«
Wie oft behauptete ihr Vater, sie würde ihn vorzeitig altern lassen? Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel, als sie ihm einen Blick zuwarf. Sah er sie an?
»Aye, sie ist ein lebhaftes Mädchen«, sagte ihr Vater.
Die Heiterkeit seiner Antwort ließ Isobel hoffen, dass sie um eine Schelte wegen ihres Schwertkampfs mit den Jungen herumkam. Während die Männer sich noch ewig über irgendein Ereignis unterhielten, das im kommenden Herbst stattfinden sollte, wurde ihr langweilig, und sie versuchte nicht herumzuzappeln.
»Dann ist es also abgemacht«, sagte Lord Hume und verabschiedete sich endlich. »Ihr werdet nun mit Eurer Tochter sprechen wollen.«
Lord Hume nahm ihre Hand, bevor sie sie hinter ihren Röcken verstecken konnte. Sie versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen, als er ihren Handrücken ansabberte. Doch sobald er ihr den Rücken zukehrte, wischte sie ihn an ihrem Kleid ab.
Sie stand neben ihrem Vater und wartete darauf, wegen des Schwertspiels und schmutziger Kleider ermahnt zu werden. Als Hume endlich durch das Burgtor gehumpelt war, wandte sie sich zu ihrem Vater um.
Zu ihrem Erstaunen hüpfte er von einem Fuß auf den anderen und vollführte einen kleinen Tanz!
»Vater, was ist geschehen?«
Er hob sie hoch und schwenkte sie im Kreis herum. Dann machte er wieder seinen kleinen Tanz. Ihn so überaus glücklich zu sehen machte auch sie froh.
»Sagt es mir, sagt es mir!«, lachte sie.
Er hob die Hände gen Himmel und rief: »Gott vergib mir, dass ich mir je gewünscht habe, du wärst ein Junge.«
Ihr Vater grinste mit strahlenden Augen zu ihr herunter, als hätte sie ihm gerade die Sterne vom Himmel geholt.
»Isobel, mein Mädchen, ich habe so gute Neuigkeiten für dich!«
1
Northumberland, England
September 1417
Die Kälte von dem Steinboden der Kapelle kroch durch Isobels Knie. Alle Knochen und Muskeln ihres Körpers schmerzten davon. Es war jedoch nicht die Kälte, die sie in ihren Gebeten innehalten ließ. Noch einmal ließ sie den Blick über den verhüllten Leichnam wandern, der von hohen, flackernden Kerzen umgeben war.
Als ihr Blick den Bauch des Leichnams erreichte, der sich massig unter dem Tuch abzeichnete, entrang sich ein leises Seufzen ihrer Kehle. Die Leiche war tatsächlich Lord Hume.
Es war kindisch, dass sie sich dessen immer wieder versichern musste. Sich selbst für ihren Lapsus scheltend, kehrte Isobel zu ihren Gebeten zurück. Sie würde diese letzte Pflicht ihrem Ehemann gegenüber erfüllen.
Und dann wäre sie endlich von ihm frei.
Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, sah sie das verkniffene Gesicht des Burgkaplans über sich.
»Ich muss mit Euch sprechen«, sagte er ohne vorherige Entschuldigung.
Sie nickte und hielt den Atem an, bis er sich wieder aufgerichtet hatte. Badete der Mann denn niemals? Er roch fast so schlimm wie Hume.
Was auch immer der Priester ihr zu sagen hatte, es musste wichtig sein. Als Beichtvater ihres Mannes hatte er jeden Grund zu der Annahme, dass Humes Seele jedes Gebet dringend nötig hatte. Dennoch zögerte sie, die Dienerschaft allein bei der Totenwache zurückzulassen. Trotz des zusätzlichen Lohns, den sie ihnen dafür zahlte, würden sie aufhören zu beten, sobald die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
Hume war kein beliebter Burgherr gewesen.
Bei ihrem Versuch aufzustehen gaben ihre Knie unter ihr nach, und der Priester musste ihren Arm nehmen, um zu verhindern, dass sie stürzte. Sie ließ sich von ihm aus dem Turm führen, in dem die kleine Burgkapelle untergebracht war. Als sie nach draußen in den Burghof trat, wehte ein eisiger Wind durch ihren Umhang und ihr Kleid. Sie wartete zitternd, während Vater Dunne gegen den Wind kämpfend die schwere Holztür zuzog.
Sobald er im Hof zu ihr trat, fragte sie ihn: »Was gibt es, Vater Dunne?«
Vater Dunne zog seine Kapuze tief ins Gesicht, nahm ihren Arm und ging
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