Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
Lieblingskind, die bewunderte Tochter, die er überallhin mitnahm. Wenn es anders gewesen wäre, hätte sie sich nicht so betrogen gefühlt.
Was für eine dumme Gans sie doch gewesen war. Sie hatte geglaubt, ihr Vater würde es hinauszögern, sie zu verloben, weil er keinen Mann fand, der ihrer würdig war. Galahads wuchsen nicht auf den Bäumen.
Doch dann hatte er sie wie ein Stück Vieh verkauft. An einen Mann wie Hume.
Sie erinnerte sich daran, wie ihre Knie in jener ersten Nacht zitterten, wie ihr Atem in gekeuchtem Schluckauf ging, als sie aus Humes hohem Bett geklettert war, um sich zu waschen. Hinter dem Wandschirm hatte sie eine Kerze angezündet und Wasser in eine Schüssel gegeben. Als sie die Blutspuren von der Innenseite ihrer Oberschenkel wusch, ging es ihr auf: Ihr Vater hatte gewusst, was Hume mit ihr tun würde. Er hatte es gewusst und hatte sie trotzdem diesem Mann gegeben.
»Isobel, es tut so gut, dich zu sehen!« Die dröhnende Stimme ihres Vaters brachte sie mit einem Ruck in die Gegenwart zurück.
Als er auf sie zutrat, als wollte er sie umarmen, hob sie die Hand, um ihn daran zu hindern.
»Es ist eine Schande«, sagte er, »dass erst dein Mann sterben musste, bevor du mich in deinem Heim willkommen heißt.«
Isobel verübelte ihm sowohl den Schmerz als auch die Kritik in seiner Stimme. »Kommt, wir müssen unter vier Augen sprechen.«
Ohne weitere Begrüßung drehte sie sich um und ging ihm voran die Treppe zu den Privatgemächern hinauf. Auch dort schaute er sich mit besitzergreifendem Gehabe um, bewunderte die schweren Wandbehänge und kostbaren Glasfenster.
»Wer hätte gedacht, dass der alte Mann so lange lebt?«, sagte er. »Aber jetzt gehören diese feine Burg und all seine Ländereien dir! Ich habe dir ja gesagt, dass für eine Frau die Ehe der Weg zur Macht ist.«
Bevor Isobel ihm ausweichen konnte, packte er ihre Arme. »Mit Humes Vermächtnis«, sagte er und seine Augen leuchteten, »kannst du in der zweiten Ehe hoch hinaus.«
Isobel vermochte ihn bloß voller Entsetzen anzuschauen. Glaubte ihr Vater wirklich, sie ließe ihn eine zweite Ehe für sie arrangieren?
»Ich weiß, dass es nicht leicht war.« Sein Tonfall wurde sanfter. »Aber jetzt wirst du die Ernte für dein Opfer einfahren.«
»Mein ›Opfer‹, wie Ihr es nennt, war vollkommen umsonst – zumindest für mich!« Isobel erstickte schier an ihren Gefühlen, sodass sie die Worte kaum herausbrachte. »Am Tag, als die Ehe vollzogen wurde, hat Hume Euch gegeben, was Ihr wolltet, aber mir hat er nichts hinterlassen.«
»Was hat er?«
Als sie ihrem Vater ins Gesicht sah, kehrte ihr Zorn mit aller Macht zurück. »Mein Gatte hat alle Ländereien, die ich erben sollte, anderen geschenkt.« Sie wollte mit ihren Fäusten gegen die Brust ihres Vaters trommeln wie das eigensinnige Kind, das sie einst gewesen war. »Ihr habt versprochen, ich hätte meine Unabhängigkeit, wenn er tot wäre. Das habt Ihr mir versprochen!«
Seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Arme. »Du irrst dich, Tochter. Hume hatte keine Kinder; seine Ländereien müssen dir zukommen.«
»Er hat alles Bartholomew Graham gegeben!«, schrie sie ihn an. »Mein Heim. Meine Ländereien. Bis auf die letzte Parzelle.«
»Der Teufel soll ihn holen!«, explodierte ihr Vater. »Welchen Grund könnte Hume dafür haben?«
Isobel schlug die Hände vors Gesicht. »Graham hat den alten Tölpel glauben lassen, er wäre sein Sohn.«
»Der Betrug wird keinen Bestand haben!« Mit hervortretenden Augen und wild gestikulierend stürmte ihr Vater im Zimmer auf und ab. »Wir bringen diese Sache vor Bischof Beaufort. Dann werden wir ja sehen! Sicherlich kann der Onkel des Königs diesen Betrug aufklären. Ich schwöre dir, Isobel, wir werden dafür sorgen, dass der junge Graham dafür in den Kerker geworfen wird.«
Bevor noch die letzte Schaufel Erde Humes Leiche bedeckte, brachen Isobel und ihr Vater nach Alnwick Castle auf. Bischof Beaufort hielt sich dort im Dienste des Königs auf.
Isobel zügelte ihr Pferd an der Brücke und ließ den Blick über die ausgedehnte steinerne Festung schweifen. Als Kind war sie oft hierhergekommen. Aber das war zu einer Zeit gewesen, als Alnwick noch das Heim des Earl of Northumberland gewesen war – bevor Northumberland versucht hatte, Heinrich IV. zu entthronen.
Northumberland hatte sich nach Schottland abgesetzt. Die wichtigeren seiner Mitverschwörer waren geköpft, die weniger wichtigen enteignet worden. Törichte Männer
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