Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
hoch-und runterschob. Ich hatte den Eindruck, er war erleichtert, als ich mit zehnminütiger Verspätung eintraf und ihn aus Lisas Gesellschaft befreite. Ich sollte mich irren.
Als Sven Schalmüller mir schließlich gegenübersaß und über sich, seinen Beruf, seine Hobbys und seine Vorstellungen von einer Frau und einer Beziehung Auskunft gab, drehte er hochnervös seine Kaffeetasse auf dem Tisch. Noch nervöser wurde er, als Lisa unangemeldet hereinschoss und mir mitteilte, sie müsse jetzt dringend zum Zahnarzt, sie habe komplett vergessen, dass sie heute einen Termin habe.
Auch Lisa wirkte hektisch und nervös.
Sven Schalmüller nahm seine Tasse mit einer heftigen Bewegung auf, setzte zu einem Schluck an, begann gleichzeitig zu sprechen und verschluckte sich. Seine Worte erstickten in einem würgenden Husten.
Lisa eilte auf ihn zu und klopfte ihm auf den Rücken, derweil ich zu meinem Schreibtisch ging, nach einer Packung Tempotaschentücher griff und ihm eines reichte.
Der Hustenanfall legte sich. Sven Schalmüller saß da, mit hochrotem Kopf unter blondem, kurzem Strubbelhaar, putzte sich die Nase und wischte sich mit dem Taschentuch verlegen über Mund und Stirn.
Ich hatte mich wieder gesetzt und auf ein Abflauen des Hustens gewartet, derweil Lisa unentschlossen vor uns stehen blieb.
»Wenn Sie wollen, fahre ich Sie hin«, rang sich Sven Schalmüller zu einem Angebot durch.
Ich wollte schon antworten, dass das nicht nötig sei, da Lisa ein eigenes Auto besitze, hielt mich aber zurück. Über Lisas Gesicht glitt ein schnelles, erleichtertes Lächeln.
»Gerne doch«, erwiderte sie.
In dem Moment war ich mir sicher, dass ich Sven Schalmüller nicht zum letzten Mal gesehen hatte, ihn jedoch als Klienten abhaken konnte. Den würde Lisa verarzten.
Es war mir recht, ließ sie doch so von Theo E. Petrello ab. Dachte ich und nahm mir vor, den Mann mal wieder anzurufen.
Sven Schalmüller fuhr also Lisa zum Zahnarzt.
Ich hatte ihr den Rest des Nachmittags freigegeben und wandte mich, kaum hatten die zwei mein Büro verlassen, meinem, wie ich gestehen muss, etwas hinterhältigen Vorhaben zu.
Als Erstes rief ich Laura Hesselbach an, danach Sarah Baerenbaum. Beide bestellte ich für Samstag um elf Uhr zu mir nach Hause. Während ich Laura erläuterte, dass ich noch einmal mit ihr über meinen Mann sprechen wollte, erzählte ich der Baerenbaum, ich hätte eine Superidee: Wir könnten zum Lagerverkauf einer renommierten Hamburger Designerin fahren, die einmal im Jahr ihre Kollektion zu zwanzig Prozent des Ladenpreises verkaufte. Solchen Schnäppchen konnte keine Frau widerstehen. Auch nicht Sarah Baerenbaum. Weder die echte noch die schüchtern-geschmacklose Person, die sie mir vorgespielt hatte. Auf jeden Fall hatten Laura und Sarah Baerenbaum zugesagt, am Samstag zu kommen. Pünktlich.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich auf meiner Terrasse, ungestört sowohl von Lisa als auch von Hedwig, die ebenfalls ihren freien Nachmittag genommen hatte. Sie hatte einen Beutel mit altem Brot zurechtgemacht und war mit ihrer Vespa an die Alster geknattert.
Seit Jahr und Tag fuhr sie mit ihrem weinroten Roller auf dem Radweg entlang der Außenalster bis zu einer Bank gleich neben dem Bootsanleger Alte Rabenstraße . Die Vespa, auf der Hedwig mit ihrem quittegelben Helm thronte wie die Königin der Rothenbaumchaussee, brachte es zwar nur auf fünfundfünfzig Stundenkilometer, dennoch war die Benutzung des Radwegs mit dem Roller untersagt.
Wie so vieles scherte Hedwig dieses Verbot nicht. Erstens glaubte sie, auf dem Radweg schneller als auf der Straße zu sein - was während der Rushhour durchaus zutraf. Zum zweiten war sie nachdrücklich der Meinung, es wäre für sie weitaus ungefährlicher, den Radweg zu benutzen. Stimmte auch, denn Hedwigs Sehvermögen war ausgesprochen mangelhaft, was daran lag, dass sie seit zwanzig Jahren dieselbe Brille trug und ihre Sehstärke weder hatte überprüfen noch korrigieren lassen. Eine neue Brille hätte ihr nicht nur besser als das rosafarbene Kassenmodell aus den siebziger Jahren gestanden, sondern die optimierte Dioptrienzahl hätte das mangelhafte Sehvermögen auch wunderbar ausgeglichen.
Die illegale Benutzung des Radwegs kümmerte Hedwig also nicht. Und es interessierte sie ebenso wenig, dass sie den Roller frech und gleichermaßen verboten direkt am Wasser parkte. Sie nannte es ein in zehn Jahren erworbenes Gewohnheitsrecht, auf dem sie auch gegenüber einem Polizisten
Weitere Kostenlose Bücher