Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
auf, mich gegen die innere Unruhe zu wehren. Noch ein wenig morgenmüde stand ich auf, kuschelte mich in meinen orangefarbenen Fleecemantel und tappte in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen.
Während das Wasser in der Espressomaschine heiß wurde, ging ich ins Wohnzimmer und holte ein paar Fotoalben aus dem Bücherregal. Bereits vor unserer Eheschließung hatte Martin damit begonnen, gelegentliche Schnappschüsse mit Unterschrift und Datum zu versehen und sie ordentlich in Alben einzukleben. So hielt ich eine fast komplette fotografische Übersicht über die wichtigsten Stationen meiner Ehe in den Händen. Gedankenverloren setzte ich mich an den Küchentisch und verbrachte die nächsten zweieinhalb Stunden damit, meine Ehe Revue passieren zu lassen. Von meiner Hochzeitsfeier in Hamburg über meine Hochzeitsreise nach Singapur, diverse Urlaube in den USA und Asien bis hin zu Oster- oder Pfingstausflügen waren alle Reisen, Picknicks mit Bekannten und Familienfeiern wie der sechzigste Geburtstag meiner Mutter auf Bildern festgehalten.
Martins liebevoll geführtes fotografisches Ehetagebuch passte so gar nicht zu seinen außerehelichen Eskapaden. Ich musste mich sehr zusammenreißen und presste beim Anblick unserer Zweisamkeit mehr als einmal die Zähne an das Porzellan der Tasse, um nicht unkontrolliert loszuheulen.
Gegen neun Uhr kam Hedwig in die Küche, sah die Alben auf dem Küchentisch und wie ich die Kaffeetasse zwischen den Fingern drehte, und verwickelte mich in ein Gespräch über Eule. Ich hatte nur wenig Lust, über die Riesenhündin zu plauschen, und versuchte, Hedwigs Erguss Einhalt zu gebieten.
»Hedwig, bitte lass mich einen Moment in Ruhe.«
»... und dann hat sie den Schädel ausgegraben. Und Martins Hemd.« Hedwigs Stimme klang unbeteiligt und so, als würde sie mir erzählen, dass sie zu Mittag einen Salat zubereiten wollte.
Ich war mit meinen Gedanken noch bei einem der letzten schönen Urlaubstage, die Martin und ich über Ostern in Südtirol nahe Bozen verbracht hatten, als Hedwigs Satz zu meinem Verstand durchdrang.
»Was hat sie?«
»Den Schädel wieder ausgegraben. Gestern Abend. Gegen halb zwölf stand sie mit dem Ding vor meiner Tür. Ich hab mit ihr geschimpft und sie hinten am Schlafittchen gepackt. Das fand sie gar nicht gut. Sie hat mich richtig angeknurrt und die Zähne gefletscht. Das hat mich aber alles nicht beeindruckt. Na ja, und ich wollte dich ja auch nicht stören. Ich dachte, du hättest einen anstrengenden Tag hinter dir, und deshalb habe ich ihn allein wieder eingegraben. Und das Hemd gleich mit. Der Ärmel schaute aus der Erde.«
»Aber du konntest doch gar nichts sehen.«
»O doch. Mehr als genug. Erstens wird es ja gar nicht so stockdunkel wie im Winter. Und zweitens war der Himmel komplett wolkenlos und der Mond schien ganz hell. Und dann hab ich einfach vier oder fünf von deinen Partyfackeln mitgenommen und die Dinger haben dann genügend Licht gegeben.«
»Und bist du sicher, dass der Schädel tief genug vergraben ist? Schließlich würde es nichts bringen, wenn Eule alle paar Tage mit dem Ding durch den Garten läuft.«
»Ich weiß nicht, aber ich denke schon.« Ich ging schließlich mit Hedwig zu dem Flieder hinterm Haus. Lisa hatte sich das letzte Mal sehr viel Mühe gegeben, die kahle Stelle mit den sorgsam abgetragenen Rasenstücken zu bedecken und den kleinen Hügel mit Hilfe ihres Springseils einzuebnen.
Hedwigs Aktion hatte Lisas Mühe zunichte gemacht. Ein unsymmetrisch aufgeworfener Erdhügel wölbte sich unter dem Strauch und unförmig abgestochene Rasenstücke lagen wild verteilt darauf herum. Hedwig mochte eine Perle sein, was den Hausputz, das Organisieren von Handwerkern, das Beschneiden von Pflanzen und dergleichen Tätigkeiten betraf. Im Vergraben von Totenköpfen und blutigen Hemden war sie eine Fehlbesetzung, nachgerade eine Niete. Als Mordkomplizin sollte man Hedwig besser nicht einspannen. Es reichte schon die Nummer mit unseren Toten in Bremsnitz und der Harke. Hedwig war ein Dussel.
Ich starrte nach unten. Es war mir unverständlich, wie Eule den Schädel lokalisiert und dann ausgebuddelt hatte, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann sie mit dem Teil neuerlich durch den Garten traben würde. Bestens gelaunt, versteht sich, während Hedwig Panikattacken bekäme.
Der Morgen war kühl. Seit dem Gewitter drei Tage zuvor waren die Temperaturen merklich zurückgegangen. Pflanzen und Menschen atmeten auf. Na ja,
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