Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
konnte nicht hören, was sie miteinander redeten. Doch schließlich sprang Laura wenig grazil aus dem Auto, lief die letzten fünfzig Meter wie von der Tarantel gestochen auf mein Haus zu, läutete Sturm und rief immer wieder meinen Namen.
Ich hatte mir vorab überlegt, dass ich unter keinen Umständen die Tür öffnen wollte. Nun aber, da Laura panikgeschüttelt vor meiner Haustür stand, ging ich gegen meine Überzeugung hinunter und öffnete sie.
»Was soll das denn, Frau Hillger?«, keuchte Laura. »Ich dachte, Sie hätten mir geglaubt, dass ich Ihren Mann verlassen habe.«
»Das habe ich sehr wohl«, entgegnete ich. »Aber schauen Sie, mal unabhängig von Ihrer Entscheidung, trenne ich mich ebenfalls von ihm. Und Sie sind sowohl seine Angestellte als auch seine, na, nennen wir es mal, Freundin. Nehmen Sie ihn und werden Sie glücklich mit meinem Mann. Ich habe mit ihm definitiv nichts mehr am Hut.«
Laura Hesselbach schob ihren Kopf nach hinten, drückte das Kinn Richtung Brustbein, bekam dadurch ein unattraktives Doppelkinn und spitzte ihren Mund.
Die Frau wirkte innerhalb eines Lidschlags zehn Jahre älter.
»Das können Sie doch nicht machen, Frau Hillger. Er ist juristisch immer noch Ihr Mann und er ist hilfsbedürftig und Sie sind verpflichtet...«
»Kommen Sie mir jetzt nicht mit der juristischen Seite oder der Mitleidsschiene«, unterbrach ich ihre atemlos hervorgestoßene Satzkanonade. »Da beißen Sie auf Granit. Es gibt private Pflegedienste, freiberufliche Krankenschwestern. Es gibt Sie und Sarah Baerenbaum. Der Mann ist also bestens versorgt.« Laura schüttelte fassungslos den Kopf mit dem halblangen Haar und sagte: »Wir beide hätten Freundinnen werden können.«
»Nein, das hätten wir nicht. So naiv können Sie unmöglich sein«, entfuhr es mir. »Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass Sie mit meinem Mann eine Affäre haben und wir dann beste Freundinnen werden. Das ist unangemessen und peinlich.«
Laura senkte betreten den Kopf, so dass das Doppelkinn wieder hervortrat und sie mir fast Leid tat. Mit einer kleinen Bewegung ihrer Schultern drehte sie sich um und ging die Eingangsstufen hinunter. Am Ende der Treppe angelangt, wandte sie sich noch einmal um zu mir, die ich in der Eingangstür reglos verharrte.
»Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Mich so zu überrumpeln. Nicht nach unserem Gespräch. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Sie verstehe.«
Ich entgegnete nichts, mein Blick schweifte von Laura zu Martin und weiter zum Ende der Auffahrt, in die gerade der Mercedes von Sarah Baerenbaum einbog.
Ich schloss die Tür und begab mich hastigen Schrittes erneut auf meinen Beobachtungsposten im ersten Stock. Laura ging auf Martin zu, den Rücken durchgedrückt, den Kopf wieder stolz erhoben. Ihr glockiger Rock schwang im Rhythmus ihrer Schritte in kleinen Wellenbewegungen auf und nieder.
Sarah Baerenbaum fuhr an Martin vorbei. Sie hatte die Hand mechanisch zu einem Winken erhoben, als sie realisierte, dass sie tatsächlich an meinem Mann vorbeifuhr. Und der hatte nicht hier, sondern ihren Informationen zufolge in St. Petersburg zu sein.
Sarah Baerenbaum trat abrupt auf die Bremse. Die Reifen quietschten kurz auf und ihr Kopf mit der rotgoldenen Mähne wippte nach vorn und zurück. Schließlich kam der Mercedes kurz hinter Martins Rollstuhl zum Stehen. Nach einer Schrecksekunde stieg die Frau wenig elegant aus dem Wagen. Inzwischen hatte auch Laura Martin wieder erreicht und versperrte mir für einen Augenblick die Sicht.
Einen kurzen Moment später sah ich die drei wild gestikulieren, hörte schließlich die sich überschlagende Stimme von Laura und das Keifen von Sarah Baerenbaum, vernahm dazwischen die Stimme meines Mannes, der die Situation zu entspannen trachtete, jedoch nichts erreichte. Schließlich gab Martin auf und hielt den Mund, was in der Situation das Vernünftigste war.
Sarah Baerenbaum beschimpfte Laura Hesselbach als Sekretärinnenschnepfe, während Laura die Baerenbaum zur hinterhältigen Ehebrecherin erklärte.
Ich grinste vor mich hin und genoss das Theater vor meinem Haus. Sollten die zwei sich doch so lange streiten, wie sie wollten. Ich als Zuschauerin fühlte mich blendend.
Ich fühlte mich in dem Moment nicht mehr blendend, als meine Mutter in ihrem alten Mercedes um die Ecke bog, das Auto hinter dem von Sarah Baerenbaum parkte, ausstieg und verwundert auf die Szene starrte. Sie hatte einen riesigen Blumenstrauß im Arm und wusste ausnahmsweise
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