Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
oder schlaffe Brüste?
Meines Wissens nicht.
Vielleicht brauchte er ein wenig Abwechslung im Bett? Ich wischte die Frage fort. Mit ihr wollte ich mich nicht auseinander setzen, so viel Selbstschutz musste sein. Ich meine, mal ehrlich: Ich hatte mich für Liebhaber entschieden, weil mir der Sex mit meinem Mann ein wenig zu routiniert ablief. Nicht, dass er nicht schön und erfüllend war. Er war nur so ohne jegliche Überraschung, ohne Esprit. Man spielte auf dem Körper des anderen wie auf einem Klavier. Jeden Ton, den man erzeugte, vorausschauend kalkulierend. Überraschend konnte man das alles nicht mehr nennen.
Aber weshalb hatte Martin sich von mir abgewandt?
Ich verstand diesen Mann nicht. Zumindest nicht mehr, aber vielleicht hatte ich ihn ja auch noch nie verstanden. Wer weiß das schon?
Und ich verstand auch nicht, was Frauen wie Sarah Baerenbaum oder Laura Hesselbach sich von einem verheirateten Mann versprachen.
Ich wusste lediglich noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, was ich mir versprach und erträumte. Oder meine Freundin Lizzie. Und ich wusste, dass wir definitiv nicht auf verheiratete Männer standen.
Lizzie und ich wünschten Auftritte hinzulegen und begehrliche Blicke einzusammeln. Wir legten es darauf an, mit unserem Anblick ein Erstaunen zu provozieren, das den Mund offen stehen ließ und den Atem beschleunigt. Ich gestehe, noch vor zehn Jahren hatte es keiner größeren Anstrengung bedurft, diesen Effekt zu erreichen. Mit zunehmendem Alter wurde es etwas aufwändiger, aber wir mühten uns redlich mit Klamotten, Straffungsmasken und perfektem Make-up, wussten wir doch um das Verfallsdatum unserer Anziehung und wollten es so lange wie möglich hinauszögern. Noch gelang es das eine oder andere Mal. Wie es in fünf Jahren wäre, wenn wir die fünfzig erreicht hätten, daran mochten weder Lizzie noch ich denken.
Mit was also hatten diese blöden Weiber Martin so beeindruckt?
Damit war ich wieder beim Thema. Scheiße. Schlagartig war ich obergenervt.
Aufgewühlt von der Ungerechtigkeit, die mein Gatte mir angedeihen ließ, tigerte ich mit meiner Kaffeetasse durch das Wohnzimmer hinaus auf unsere Terrasse, die in Richtung Osten lag und von der aus man über ein paar Stufen zu einem weitläufigen Garten gelangte, in dem auch Hedwigs Gartenhaus stand.
Ich setzte mich in meinen dunkelgrünen Strandkorb mit dem grünweißen Markisenbezug und wickelte mich in eine Decke, um den sich allmählich orangerot färbenden Himmel zu betrachten. Ich liebte den Anblick anbrechender Sommertage, auch wenn ich immer hoffte, möglichst selten so früh wach zu werden, dass ich ihrer ansichtig wurde.
Nun gut. Heute war einer der Tage und mir blieb nichts anderes übrig, als mich in das Schicksal meiner Schlaflosigkeit zu fügen, den sich dramatisch verfärbenden Himmel zu genießen und eine Lösung für meine Probleme zu finden.
Zunächst einmal musste ich mein Gleichgewicht wiederfinden. Ich konnte kaum noch klar denken. Dass mein innerer Frieden ziemlich durch den Wind war, hatte inzwischen sogar ich mitbekommen. Und das wollte etwas heißen, bekommen es doch die Betroffenen gemeinhin als Allerletzte mit.
Ist das Ego von Männern angekratzt oder gar lädiert, bevorzugen die meisten von ihnen ein schlichtes, wenngleich hochwirksames Mittel: Sie umgeben sich mit Frauen, die ihnen bewundernd zu Füßen liegen.
Während ich vor mich hinsann, kam ein leichter Wind auf, der die hochgewachsenen alten englischen Rosenbüsche mit ihren herabhängenden, dicken Blütenköpfen in unruhige Bewegung versetzte. Fasziniert starrte ich auf die zum orange glühenden Morgenlicht kontrastierenden altrosafarbenen Rosen, die ich über alles liebte und die sich in meinem gesamten Garten als Solitäre oder in Gruppen angeordnet fanden. Ich hatte sie vor mehr als zehn Jahren überall im Garten und entlang des Terrassenaufgangs gepflanzt und sie hatten sich dank meiner Pflege prächtig entwickelt. Na ja, eher dank Hedwigs Pflege, wie ich zugeben muss. Ich kümmerte mich eigentlich mehr nach Lust und Laune um die Rosen, während Hedwig sich in aller Regelmäßigkeit um sie bemühte, und sei es nur, dass sie den Gärtner zum jährlichen Rückschnitt im Frühjahr bestellte.
Ich stand auf und ging die Treppe hinunter, doch statt mich den Rosen zuzuwenden, wie ich es fast täglich in ihrer Blütezeit tat, durchquerte ich gedankenverloren den Garten und ging hinüber zu unserem Geräteschuppen, der unter den gebogenen
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