Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
anschließend ein Toter im Garten, das besaß doch Tradition. Familientradition zumal.
Hedwig stapfte mit einem Milchkaffee für mich und einem Espresso für Martin geradewegs durch meine Fantasien und so saßen Martin und ich Kaffee schlürfend in der Morgensonne. Ich im Strandkorb, er im Liegestuhl gleich vor mir. Ahnungslosen Beobachtern mochte unsere Zweisamkeit als unschuldige Eheidylle erscheinen, womit einmal mehr bewiesen sein dürfte, dass der äußere Schein nichts taugt.
Ich nippte grübelnd an meinem Kaffee, doch da jegliche Erleuchtung, was ich tun oder lassen sollte, ausblieb, beschloss ich, dass es an der Zeit sei, ins Haus zu gehen, mir die Haare zu waschen, zu duschen, mich zu schminken und anzukleiden. Kommt Zeit, kommt Rat, wie Hedwig zu sagen pflegte.
Während ich duschte, verfolgte ich wenig interessiert die Nachrichten. Eigentlich wartete ich nur auf den Wetterbericht, in der Hoffnung, bestätigt zu bekommen, dass das fantastische Sommerwetter anhielte.
Das warme Wasser der Dusche massierte mir die Nackenpartie und die monotone Stimme des Moderators ließ mich eindösen. Schlagartig erwachte ich aus meiner Lethargie, als die Stimme von einem mysteriösen Leichenfund in Thüringen berichtete. Von unseren Leichen - eine mit eingeschlagenem Schädel, die andere halb nackt.
Ratzfatz war es Essig mit meiner wohligweichen Entspannung. Unter meinem ungläubigen Erstaunen verspannten sich meine Rückenmuskeln in Bruchteilen von Sekunden. Ich erstarrte mit dem Duschkopf in der Hand, und während der Massagestrahl monoton um meine Brüste kreiste, erfuhr ich, dass ein Bremsnitzer Einwohner die Leichen gefunden hatte.
Genauer gesagt, ein älterer Herr und ein Hund, der während eines Waldspaziergangs am Samstagnachmittag zunächst mit einem durchweichten Sweatshirt im Maul wieder aufgetaucht sei, das er seinem Herrchen Beifall heischend zu Füßen gelegt habe. Der Hund sei nicht bereit gewesen, dem Mann weiter auf dem Spaziergang zu folgen. Stur blieb er am Waldrand sitzen und kläffte sein Herrchen aufgeregt an. Hannes L. sei dem Weg des Hundes dann ein kurzes Stück gefolgt, bis er die Leichen entdeckt habe. Er habe über sein Handy sofort die Polizei verständigt, die eine halbe Stunde später erschienen sei.
Mein Körper verspannte sich weiter. Meine Beine fühlten sich ungelenk an. Instinktiv schaute ich durch die Duschtür, ob mich jemand beobachtete. Eine blödsinnige Reaktion. Mein Mann lag auf der Terrasse und Hedwig hantierte in der Küche herum. Ich lehnte mich an die Kacheln zurück und lauschte den Details.
Als der Nachrichtensprecher schließlich über die Gewalttätigkeit der Tat philosophierte, erwachte ich aus meiner Starre, öffnete den Kaltwasserhahn und ließ erfrischend kühles Wasser über den Kopf auf die Schultern und den ganzen Körper strömen. Mich überzog eine Gänsehaut.
Was soll‘s, ich brauchte einen klaren Kopf und bewegliche Beine.
Wir hatten damit gerechnet, dass die Leichen gefunden würden. Ja, Lisa war sogar bereit gewesen, heute nach Jena zu fahren, um anonym bei der Polizei anzurufen, damit sie garantiert aufgefunden würden. Doch das war theoretisches Gespinne, Kunstturnen für den Verstand. Oder im Klartext: typisches Weibergelaber.
Jetzt aber, da man die Leichen tatsächlich aufgefunden hatte, grummelte mein Magen überfordert vor sich hin.
Geradezu übel wurde mir, als der Nachrichtensprecher von einer bundesweiten Fahndung nach zwei Autos mit Hamburger Kennzeichen sprach und zu einem Liveinterview nach Bremsnitz schaltete. Ein achtzehnjähriger Junge hatte am Freitag eine silberfarbene Audilimousine, wahrscheinlich einen A6 oder A8, und einen verbeulten Opel Kadett in Richtung des Waldstücks abbiegen sehen, in dem die Leichen gefunden worden waren. Zirka eine Stunde später seien die Autos durch den Ort zurückgefahren. Merkwürdigerweise sprach der Moderator mit der Mutter des Jungen und nicht mit ihm selbst. Das wunderte mich zwar, doch ich machte mir darüber keine weiteren Gedanken. Die Frau erzählte, ihr Sohn sei sich nicht sicher, weil es geregnet hätte, aber seiner Meinung nach hätte am Steuer beider Autos jeweils eine Frau gesessen, in dem Audi zudem eine ältere Dame auf dem Beifahrersitz. Es gäbe Zeichnungen der verdächtigen Personen, die der Junge angefertigt habe.
Wenngleich die Polizei nicht ausschließen wollte, dass es sich auch um Männer mit Perücken gehandelt haben könnte, stieg mir ein Brechreiz vom Magen die Speiseröhre
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