Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
der gerade an ihrem Tisch bediente. Über die ältere Dame, die aufgeregt mit einem an einer goldenen Uhrkette befestigten Lorgnon herumfuchtelte, ergoss sich blitzschnell ein Schwall kalten Alsterwassers. Die von kundigen Händen in feine Wellen gelegten und silberviolett eingefärbten Haare hingen nun in klatschnassen Strähnen in dem schmalen Gesicht, während ihr Kleid von dem kühlen Alsterwasser fast gänzlich durchweicht war. Damit nicht genug, entglitt dem verdatterten Sulzer auch noch das Tablett. Im Schoß der Dame landeten zwei Tassen mit heißem Kaffee, während eine Milchkanne mit ihrem dauergewellten Kopf kollidierte, von dort auf den kurzatmig auf- und abwogenden Busen prallte und das goldene Lorgnon, das sie in der rechten Hand zu schützen suchte, mit in die Tiefe ihres Schoßes riss. Kaum hatten sich Wasser, Kaffee und Milch zu einem unappetitlichen Gebräu vermischt, sprang die Dame auch schon schreiend auf, um sogleich ermattet in Herrn Sulzers Arme zu sinken. Sulzer bugsierte das bedauernswerte Wesen zurück in den Sessel, wo sie nun hing, als hätte sie sich bei so viel Flüssigkeitskontakt gleichwohl selbst in einen Schluck Wasser verwandelt. Ihr musste vor Schreck das Herz versagt haben. Vielleicht war sie aber auch nur ohnmächtig. Hoffentlich war sie nur ohnmächtig!
Lizzie schrie immer noch ihr Scheiße und schlug mit dem einen Arm, der über der Lehne des Korbsessels herausragte, um sich, während Meiser von hinten auf sie zutrat, ihren Oberkörper mit beiden Armen umfing und sie hochzog.
Sie war blau wie eine Natter und knickte weg, als er sie losließ. Flugs umklammerte er wieder einen ihrer Arme, während er mit der anderen Hand nach meinem Sessel griff.
Ich half ihm und gemeinsam bugsierten wir Lizzie in den Korbsessel, in den sie sich erschöpft fallen ließ. Die Augen geschlossen, lehnte sie sich zurück.
Aufmerksame Gäste oder die Geschäftsleitung hatten längst den Rettungsdienst alarmiert, denn in der Ferne hörten wir das Martinshorn, das sich uns näherte. Dass der Notarztwagen so prompt kam, war nicht verwunderlich, da sich das Winterhuder Krankenhaus gleich auf der anderen Seite der Alster in einer Seitenstraße befand.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich. Meiser grinste mich an und wies auf die immer noch schlapp in ihrem Sessel hängende alte Dame, um die sich ein Kordon von Schaulustigen versammelt hatte, so dass sie schließlich meinem Blick entzogen wurde. War auch gut so.
»Hoffentlich ist die Lorgnon-Lady nicht hinüber. Nicht, dass ich Schuld am Tod einer alten Dame bin!«
»Die wird nur ohnmächtig sein«, erwiderte ich kurz angebunden.
Ich hatte mit Lizzie genug am Hals. Auf eine Diskussion mit Meiser über die patschnasse Lady hatte ich jetzt keinen Nerv und auf eine mit Herrn Sulzer über den Zustand meiner Freundin noch weniger. Die ältere Hundebesitzerin neben uns war an einem Zusammentreffen mit dem Ober augenscheinlich auch nicht interessiert. Sie war zum Rand des Bootsstegs geeilt, wo bereits zwei Jugendliche die Hunde aus dem Wasser gefischt hatten. Von Sulzer und den herumstehenden Gästen unbeachtet, legte sie beide an die Leine, ging noch einmal an ihrem Tisch vorbei, hinterließ einen Zehneuroschein, den sie mit der Untertasse beschwerte, und verließ, so schnell es ihre trippelnden Füße erlaubten, den Ort des Geschehens.
Ich bückte mich nach dem Korbsessel, der unter Lizzies Gewicht zusammengebrochen war - und lachte schallend. War bei dem von Lizzie monierten Stuhl lediglich eine Strebe altersschwach aus ihrer Verankerung gerissen gewesen, gab es unter dem von Sulzer herbeigebrachten Korbsessel nicht eine intakte Strebe mehr. Der Mann hatte in der Hektik des Nachmittagsgeschäfts einen ausrangierten Sessel angeschleppt. Ein Wunder, dass das Ding nicht gleich zusammengebrochen war, als Lizzie sich auf ihm niedergelassen hatte.
Meiser grinste ebenfalls, als er das Malheur entdeckte.
Er nahm mir den Stuhl aus der Hand und rief mit tiefer Stimme nach einer Bedienung, die allerdings nicht kam, denn inzwischen hatte sich das gesamte Personal um die ohnmächtige Frau versammelt. Die Gäste blieben sich selbst überlassen, was ein junges Pärchen zum Aufbruch ermunterte. Ohne zu zahlen. Der dreißigjährige Typ, der noch vor kurzem so rasch auf Lizzie zugeeilt war, hatte inzwischen ebenfalls das Weite gesucht, jedoch etwas Geld auf dem Tisch hinterlegt.
Wahrscheinlich hatte ihn Meisers Erscheinung in die Flucht getrieben, in der
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