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Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Titel: Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Buscha
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sicher sein, dass der Mann außer Gefecht ist und uns nichts tun kann.« Hedwig schüttelte fassungslos das Haupt mit den silberfarbenen Locken. »Mein Gott, Claire. Dein Mann stand einfach zu dicht hinter mir und er hat mich zu Tode erschreckt. Wirklich! Glaub mir! Bitte.«
    Während sie erzählte, forschte ich in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen, dass sie die Unwahrheit sagte. Nach einem Zucken oder Blinzeln, einem Ausweichen des Blickes. Zu absurd schien mir, was da in unserer Küche geschehen war. Doch Hedwig schaute einfach nur belämmert drein. Mich brachte das nicht weiter. Hedwig konnte vor Schreck zugestochen haben. Oder sie hatte sich erschrocken, Martin dann aber doch erkannt und trotzdem zugestochen, um die Familienehre zu retten. Ich mochte das nicht beurteilen.
    Klar war, dass raffiniertes Denken nicht Hedwigs Ding war.
    Davon konnte man getrost ausgehen.
    Ein Charakterzug übrigens, den sie mit Eule teilte, denn weder Hedwig noch Eule zeichneten sich durch eine überbordende Intelligenz aus. Und vielleicht war ihr beiderseitiger Mangel an analytischem Verstand einer der Hauptgründe dafür, dass die zwei einander so abgöttisch liebten.
    Hedwig hatte die Schule nach der sechsten Klasse abgebrochen, dafür aber acht Jahre benötigt, wie mir meine Großmutter erzählt hatte, als ich noch ein kleines Mädchen war. Die arme Hedwig sollte damals als abschreckendes Beispiel herhalten. Ich hatte es eine Zeit lang - ich denke, es war gleich zu Beginn meiner Schulzeit in der ersten oder zweiten Klasse - gehasst, meine Hausaufgaben zu erledigen, und war regelmäßig mit Eintragungen nach Hause gekommen, meine Eltern mögen doch Acht geben, dass ich den Lehrstoff daheim wiederholte.
    Meine Mutter hatte mich gebeten, mir gedroht, mich mit einem Leseverbot belegt - der schlimmsten Strafe überhaupt, las ich doch von morgens bis abends alles, was mir in die kindlichen Hände fiel. Genutzt hatte das Verbot nichts. Ich mochte Hausaufgaben nicht, lieh mir fortan in der Schulbibliothek Bücher aus und schmuggelte sie heimlich in der Sporttasche ins Haus. Den Ranzen kontrollierte meine Mutter, die Tasche nicht.
    Schließlich hatte sich meine Großmutter eines Nachmittags eingeschaltet, ein Gespräch mit mir gesucht und mir Hedwigs Geschichte serviert. Eingeleitet von der Frage, ob ich auch einmal als Haushälterin enden und die Drecksarbeit für andere Leute machen wolle. Das nämlich käme auf mich zu, wenn ich versäumte, meine Hausaufgaben zu erledigen, und die Schule nicht ernst nahm. Nun gut. Hedwigs abschreckende Wirkung hielt sich in Grenzen, denn mir gefiel der Fortgang ihrer Geschichte. Ihr Vater hatte sie schließlich mit vierzehn Jahren von der Schule genommen und zu einem Paar nach Berlin geschickt, wo sie Ende der zwanziger Jahre lernte, wie man einen Haushalt führte. Keine Hausaufgaben mehr, kein Lernen für blöde Arbeiten. Welch idyllisches Leben! Meine Großmutter hatte mich irritiert angesehen, als ich mich von Hedwigs Tätigkeiten derart begeistert zeigte. Ein wenig ins Grübeln brachte mich schließlich das letzte Argument meiner Großmama: Hedwig hätte nie einen Mann gefunden. Dafür sei sie nicht klug genug gewesen. Das brachte mein kindliches Selbstverständnis allerdings erheblich durcheinander, schwärmte ich mit meinen sieben oder acht Jahren doch gerade für Tom Jones und wollte ihn unbedingt heiraten. Ich ließ mir die Geschichte also durch den Kopf gehen und beschloss, künftig alle Hausaufgaben widerspruchslos und sorgfältig anzufertigen. Was ich dann auch tat.
    »Weshalb hast du mich denn nicht gleich geweckt?«, fragte ich sie, als sie mit ihrer Beichte fertig war. »Ich meine, es musste dir doch klar sein, dass Martin einen Arzt brauchte.«
    »Claire, ich hab hier gesessen. Und dann musste ich weinen.
    Und nachgedacht habe ich auch. Und dann musste ich wieder weinen. Ich weiß doch gar nicht genau, wie lange ich hier unten war. Aber ich konnte mich überhaupt nicht rühren. Ich war so durcheinander.«
    Ich dachte, ich höre nicht richtig. Stach ein Messer in meinen Mann und setzte sich erst einmal hin, statt Hilfe zu holen?
    »Hedwig«, ich wusste nicht, was ich sagen sollte, »wie kannst du ein Messer in Martin rammen und mich dann nicht wecken? Ich meine, du hast hier nicht die Milch überkochen oder den Braten anbrennen lassen. Du hast hier gerade was richtig Schlimmes angerichtet.«
    »Weiß ich.«
    »Und weshalb hast du mich dann erst so spät geholt?«
    »Das habe ich doch

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