Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
schon gesagt: Ich weiß es nicht. Ich hab doch gar nicht gemerkt, wie spät es war oder wie viel Zeit verging.« Es kam trotzig und ich vermutete, der Wahrheit ziemlich nahe.
Resigniert drehte ich mich um, zog mir einen Küchenstuhl heran, nahm Platz und betrachtete den Mann auf dem Fußboden. Wieder ein schwer verletzter Mann und wieder in meinem Haus.
Ich war hochgradig ratlos. Michaelsen würde mir und Hedwig diese abstruse Geschichte vielleicht glauben, weil er mich so lange und so gut kannte. Aber sonst würde uns diese Geschichte nie im Leben jemand abnehmen. Zumal dann nicht, wenn sich herausstellte, dass mein Gatte erst frühmorgens heimgekommen war und sich neben mir gleich zwei Frauen gehalten hatte.
Denn wo er die Nacht verbracht hatte, war klar. Entweder bei der Baerenbaum oder bei Laura. Wobei mir Laura instinktiv näher liegend schien als die Baerenbaum. Dabei hatte ich dem Mann geglaubt, als er versprach, sein Verhältnis zu Laura zu beenden. Hatte sich was. Ich meine, der Mann war ja schon am Samstagabend, als er die Liaison angeblich beenden wollte, erst nachts gegen ein Uhr wieder daheim aufgetaucht.
Doch ich, blöd wie die meisten Weiber in dergleichen Situationen, hatte schlicht die Augen verschlossen und die Tatsache nicht zur Kenntnis genommen. Oder verdrängt. Bis zu diesem Morgen. Nun konnte ich nichts mehr verdrängen.
Hedwig hatte, derweil ich meinen deprimierenden Gedanken nachhing, einen Michkaffee für uns gekocht, dessen wohltuendes Aroma die Küche durchzog. Ich nahm einen Schluck aus der Tasse, während sie sich mir gegenüber auf einem Stuhl niederließ und mich schweigend beobachtete. Mit einer Hand unter dem Küchentisch kraulte sie Eule, die ahnte, dass etwas nicht stimmte, und nicht mehr wagte, sich wegzubewegen.
Hedwig beobachtete mich über ihre Kaffeetasse hinweg und heulte unvermittelt erneut los. Bei jedem Schluchzen wogte der Oberkörper der kleinen Frau auf und ab, ihre reinweiße Schürze wippte ebenso wie der Kleiderkragen und Hedwigs weißgraue Löckchen.
Ich war ratlos. Hedwig tat mir Leid, Martin tat mir Leid und ich tat mir mindestens ebenso Leid.
»Was sollen wir denn jetzt machen?«, heulte Hedwig, nahm die Brille von der Nase und wischte sich mit dem nunmehr zerknüllten, doch immer noch blütenweißen Taschentuch über die Augen.
»Ich weiß nicht. Wir können nur beten, dass Martin das überlebt. Sonst sind wir im Eimer. Jeder wird doch annehmen, du hättest meinen Mann umbringen wollen. Oder wir beide hätten das ausgeheckt. Und stell dir vor, was passiert, wenn die Story dann in die Zeitung käme und uns dieser Dorfjunge tatsächlich wiedererkennt. Nicht auszudenken. Mal unabhängig davon, dass ich meinen Laden dicht machen könnte.«
»Dann beerdigen wir Martin eben im Garten. Ich meine ...«
»Du meinst, da liegt eh schon einer und es kommt nicht drauf an, nicht wahr? Es kommt aber drauf an, Hedwig. Verlass dich drauf.« Ich erhob die Stimme, derweil Hedwig aufgehört hatte, Eule zu kraulen, und nunmehr aufgeregt mit den Fingern knackte. Widerliches Geräusch. Ich atmete tief durch und fuhr ihr ins Knacken der Gelenke: »Und außerdem ist Martin nicht tot, Hedwig. Auch wenn du es vielleicht gern hättest. Aber schaufle ruhig ein Grab. Keiner wird dich aufhalten.«
Hedwig schluchzte ob meiner rüden Ansage beleidigt auf, schnappte sich Eule und stürzte mit der Hündin im Schlepptau nach draußen. Ihre Nerven lagen ebenso blank wie meine.
Ich glaubte, Hedwig ginge eine Runde springen, und war erleichtert, meine Gedanken ordnen zu können, ohne dass mir jemand reinredete.
Ich betrachtete meinen Mann, starrte auf die Wunde und dachte über den Tod nach.
Ich versuchte mir vorzustellen, dass das Leben endlich war, begrenzt, zeitlich limitiert, dass es durch ein Versehen einfach vorbei sein konnte. Erledigt hätten sich dann die schicken Essen, die tollen Klamotten und die Superurlaube. Essig war es mit den Liebhabern und den schnellen Autos. Dergestalt schien mir der Tod unanständig und rücksichtslos. Kam ohne Vorankündigung und knipste das Licht aus.
Bei diesem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut, die von den Beinen kam, über Po, Bauch und Rücken bis zu den Schultern hochkroch und sich auf den Armen ausbreitete. Meine Körperhärchen, zuverlässige Gradmesser meiner Panik, standen Gewehr bei Fuß.
Ich ging zum Kühlschrank und nahm mir eine Flasche Evian. Ich füllte mir ein Glas mit Eiswürfeln, die der Spender des amerikanischen
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