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Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Titel: Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Buscha
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Auseinandersetzung über Hedwigs Frisur fehlte mir gerade noch. Ich richtete mich auf, ergriff reumütig ihre Hand und entschuldigte mich. Schließlich kam ich auf das Phantombild zurück. Ich wollte sie beruhigen und redete auf die alte Frau ein wie auf ein störrisches Kleinkind. Hedwig beruhigte sich jedoch erst, als ich versprach, noch einmal nach Bremsnitz zu fahren um herauszubekommen, ob der Junge uns erkennen würde. Ich fand die Idee, den Ort ein zweites Mal aufzusuchen, bescheuert, hatte aber zu dieser frühen Stunde keine Lust, über Sinn und Unsinn der Aktion zu debattieren.
    Ich hielt das Gespräch für beendet und wollte mich gerade wieder wegdrehen, als Hedwig meinen Oberarm ergriff. Ich streifte ihre Hand wie ein lästiges Insekt fort und sah sie genervt an. »Was ist denn noch?«
    »Du musst jetzt aufstehen, befürchte ich. Ich muss dir etwas zeigen.« Hedwigs Stimme konnte sich nicht entscheiden, ob sie nervös oder eingeschnappt klingen sollte. Ich tippte auf eingeschnappt. Der folgende Satz schien mir Recht zu geben. »Allerdings, wenn du drauf bestehst, gehe ich eben und komme später wieder.«
    »Wo brennt es denn?« Ich bemühte mich, relaxt zu klingen.
    »Dein Mann liegt in der Küche.«
    »Wie, liegt in der Küche?«, wiederholte ich ihre Mitteilung, deren Sinn sich mir nicht erschloss.
    »Er liegt da eben.«
    Bis zu diesem Moment hatte mein Gehirn, das ein noch größerer Morgenmuffel als meine Stimme war, selig vor sich hin gedöst. Bei diesem Satz schrak es auf, setzte zu seiner ersten denkenden Großtat an und formulierte ein paar sinnvolle Fragen wie »Was soll das heißen? Ist er gestürzt? Betrunken, ohnmächtig oder was?«
    Hedwig schüttelte den weiß umrahmten Kopf: »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Er liegt da einfach. Und ich glaube, er ist tot. Na ja, vielleicht auch nicht. Ich versteh davon nix.«
    Adrenalin überschwemmte meinen morgenmüden Körper und versetzte ihn in eine panische Aktivität. Ich sprang aus dem Bett, angelte mit den Füßen hektisch nach meinen Hausschuhen, fand auf Anhieb nur den linken, ließ den anderen, wo auch immer er sich rumtrieb, und stieß Hedwig zur Seite. Sie taumelte daraufhin und fiel aufs Bett. Das Kleid hochgerutscht, die Beine in der Luft, landete ihr siebzigjähriger Körper unsanft auf dem Rücken. Schlecht für Hedwigs Bandscheiben und schlecht für ihre Hüfte. Sie jauchzte auf. Ob aus Schmerz oder Überraschung interessierte mich herzlich wenig. Mich interessierte ausschließlich die Küche und das, was ich dort vorfinden würde.
    Nur mit meinem rosaweißen Pepitaschlafanzug bekleidet, rannte oder vielmehr sprang ich die Treppe hinunter, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, lief durch die Halle, bog in den schmalen Korridor zu Hedwigs Küche ein und durchquerte ihn mit Riesenschritten. Vor der geschlossenen Küchentür wartete ich einen Moment, bis sich mein pochendes Herz etwas beruhigt hatte, öffnete sie dann behutsam und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Die rechte Hand verharrte auf der Klinke, die linke klammerte sich Halt suchend an den Rahmen, während mein Kopf um die halb geöffnete Tür herumlinste.
    Das Stillleben auf dem Küchenfußboden übertraf meine schlimmsten Fantasien - und die waren schon nicht jugendfrei. Vor allem aber hatte das Arrangement einen Haken. Mir präsentierte sich keine morbide Fantasterei oder ähnlich Albernes. Nein, mir präsentierte sich mein Gatte, und der lag in einem seiner teuersten Geschäftsanzüge auf den Fliesen. Lag da, platt wie eine Flunder, und hatte eine längliche Wunde im Bauch, gleich neben dem Hüftknochen.
    Aus dem oberen Ende des gut und gern zehn Zentimeter langen Schnitts ragte Hedwigs Küchenmesser mit dem geschwungenen Ebenholzgriff. Gleich neben Martins Kopf stand Hedwigs Lieblingspfanne. Aus einer Kopfwunde über dem Ohr sickerte gleichmäßig Blut und bildete eine kleine Pfütze auf dem Fußboden. Blut hatte sich auch linkerhand seiner Hüfte ausgebreitet, während Martins Augen ungläubig und starr an die Decke stierten.
    »Oh, mein Gott«, flüsterte ich, beugte mich im Türrahmen instinktiv nach vom, griff mit einer Hand dorthin, wo sich der Magen befindet, und wartete auf das Einsetzen der Übelkeit.
    Hatte sich was.
    Mir wurde nicht einmal ein kleines bisschen schlecht. Keine Regung erfasste meinen Körper. Der Teil meines Gehirns, der für die adrenalingepuschte Hysterie zuständig war, stand unter Schock. Immerhin geschah es nicht jeden Tag,

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