Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Kühlschranks polternd ausspuckte, goss Wasser hinzu und trank mit gierigen Schlucken. Köstlich lief mir das Nass die Kehle hinab, in die Speiseröhre und weiter in den Magen, wo es sich ausbreitete und mich angenehm kühlte. Sehr beruhigend.
Als es endlich an der Tür klingelte, war ich erleichtert. Vor mir stand Johann Michaelsen, die spärlichen grauen Haare vom Duschen noch nass, das hagere, faltige Gesicht unrasiert.
Ich ließ ihn ein, und anstatt auf seine Frage zu antworten, was denn nun passiert sei, so richtig hätte er das am Telefon nicht verstanden, führte ich ihn in die Küche.
Michaelsen verharrte überrascht im Türrahmen, starrte auf meinen am Boden liegenden Mann und schüttelte das nasse Haupt.
»Das glaube ich nicht«, entfuhr es ihm.
»Ich war es nicht, wenn Sie das meinen, es war Hedwig.«
Michaelsen drehte sich zu mir um, die ich hinter ihm im Flur stand, fuhr sich mit langen Fingern durch das Haar und kratzte sich schließlich am Hinterkopf.
»Sieht schlimm aus«, erwiderte er und ging auf Martin zu. Noch im Gehen öffnete er seine dunkelbraune lederne Arzttasche, zog ein Paar Einmal-Latexhandschuhe heraus und streifte sie sich über. Nachdem er einen kurzen Blick auf die Kopfwunde geworfen hatte, betrachtete Michaelsen Martins Bauchwunde und schüttelte den Kopf.
»Mädchen, Mädchen. Das sieht nicht gut aus. Er muss in ein Krankenhaus. Dringend.« Noch während er das sagte, zückte er ein Handy und wählte eine Nummer. Ich eilte auf ihn zu und wollte ihn daran hindern, einen Notarztwagen zu bestellen, doch Michaelsen sprach bereits.
Notgedrungen wartete ich ab.
»Claire«, hob er an, als er aufgelegt hatte, »die Wunden müssen genäht werden. Wahrscheinlich ist eine Sehne durchtrennt worden und er muss dringend operiert werden. Und sein Kopf sollte geröntgt werden. Ich denke, wir müssen eine Computertomografie veranlassen, um festzustellen, ob er durch den Schlag mit der Pfanne ein Blutgerinnsel im Kopf hat. Und dann müssen wir zusehen, dass wir ihn aus dem Koma herausbekommen.«
»Martin ist nicht ohnmächtig?
»Nein, ich befürchte, er liegt im Koma.«
»Aber Sie melden es nicht der Polizei, nicht wahr? Bitte! Martin hat Hedwig doch so erschreckt. Sie kann nichts dafür. Bestimmt nicht. Er ist heute früh um sechs von hinten auf sie zugekommen, hat ihr einen Klaps gegeben, und sie hat gedacht, er wäre ein Einbrecher. Sie hat ihr Messer gezückt, zugestochen und ihm eins mit der Pfanne verpasst, damit sie sicher sein konnte, dass er uns nichts mehr tun kann.«
»Claire, reg dich doch nicht so auf. Du sagst doch selbst, dass es ein Unfall war. Also werde jetzt nicht hysterisch. Und außerdem kommt er auf meine Privatstation und natürlich werden wir es vorerst nicht der Polizei melden. Wozu auch? Beruhigt dich das?«
»Ja. Danke.« Ich wollte noch ein paar Erklärungen abgeben, hörte jedoch schon das scharfe Bremsen des Krankenwagens auf unserer Auffahrt und rannte nach vom zur Tür, um die Sanitäter einzulassen. Michaelsen folgte mir und erklärte den beiden Männern die Situation, während sie ihre Trage aus dem Transporter luden. Dr. Michaelsen geleitete sie zur Küche, überwachte Martins Abtransport und verabschiedete sich von mir mit der Bitte, dringend eine von den beiden Pillen zu nehmen, die er für mich und Hedwig auf den Küchentisch gelegt hätte. Ich sei ja mit den Nerven völlig runter, und wenn ich schlau wäre, dann käme ich noch am selben Nachmittag in seine Praxis. Er wollte mich mal genauer unter die Lupe nehmen.
Ich dankte Michaelsen für seine Hilfe und sein Vertrauen, entschuldigte mich, dass es am Nachmittag leider nicht passen würde, versprach aber, irgendwann demnächst zu kommen. Michaelsen gab sich damit nur ungern zufrieden und ging mit einem Seufzer auf den Lippen.
Nachdem er das Haus verlassen hatte, schmiss ich als Erstes die Pillen in die Toilette. Ich hasste Medikamente und nahm sie nur, wenn gar nichts mehr ging. An dem Punkt war ich aber noch lange nicht.
Ich rief Knut Meiser an, entschuldigte mich für die Unzeit und bat ihn, kurz vorbeizukommen. Er war erstaunt über meinen Anruf, doch ich schnitt ihm das Wort ab. Ich hatte keine Lust auf irgendwelche Erklärungen. Kurz angebunden teilte ich ihm mit, ich hätte einen Auftrag für ihn.
Danach informierte ich Martins Moskauer Büro und ließ seinem dortigen Bauleiter ausrichten, der Zeitpunkt von Martins Rückkehr sei ungewiss, da er nach einem Unfall im Krankenhaus liege.
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