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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
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Antiquitäten, darunter eine Chaiselongue aus den Fünfzigern und ein liebevoll aufgearbeitetes Küchenbüfett, hatte Tobias – ohne mich zu fragen – den Möbelpackern, die seine Designerstücke anlieferten, mitgegeben.

    So war Tobias. Er hatte mich übergangen, kaufte nur das Beste und Teuerste. Nicht, weil ihm die Sachen gefielen, sondern weil er damit auf Weihnachtsfeiern angeben konnte. Tobias mimte bei solchen Gelegenheiten gern den Schöngeist, fachsimpelte über Literatur, Kunst und Design, wollte verhindern, dass ihn die vermeintlich »ach so schicken Leute« aus der PR-Agentur für einen drögen Mathematiker hielten.

    Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal privat eingeladen worden waren. Tobias ging den Leuten auf die Nerven, vor allem denen, die sich nicht von ihm blenden ließen und merkten, dass er sich sein Wissen aus den gleichen Zeitungsfeuilletons zusammenschusterte, die sie selbst lasen.

    Freunde hatten wir sowieso keine. Wir waren moderne Nomaden, denen der Job das Leben diktierte. Umzogen, wenn der Beruf es befahl. Beziehungen nur pflegten, wenn sie förderlich für die Karriere waren. Sich für echte Freundschaften keine Zeit nahmen. Dabei hätte ich jetzt ein paar Freunde gut gebrauchen können.

    Fast den ganzen Vormittag saß ich in der kalten Stahlküche und studierte Wohnungsanzeigen. Vorsichtig hatte ich den Lokalteil aufgeblättert. Seit mich die Polizei abgeholt hatte, hatte ich es vermieden, Zeitung zu lesen. Heute schrieb die lokale Tageszeitung nichts über Antonia. Auch das Telefon schwieg. Es klingelte nicht mehr an der Tür. Die Journalisten hatten aufgegeben, sodass ich endlich in Ruhe mein neues Leben planen konnte. Und das würde mit einer neuen Wohnung beginnen. Ich wollte die Zeitung schon weglegen und mich im Internet auf die Suche machen, als mir eine Anzeige ins Auge sprang: Drei Zimmer, 80 Quadratmeter, Altbau 1910, Vollbad, Balkon, Stuck, Parkett, frisch renoviert, Besichtigung heute 15 Uhr. Perfekt, eine unverbindliche Besichtigung, keine Not, den Vermieter schon in einem Vorgespräch am Telefon zu bezirzen. Ich sah auf die schwarz gelackte Küchenuhr an der Wand. Dreizehn Uhr. Ich hatte noch genug Zeit, mich in Schale zu werfen und mir die Verzweiflung aus dem Gesicht zu schminken.

    Die Wohnung lag in einer Seitenstraße, die von der Frankfurter Allee abging. Eine vierspurige Straße, laut und dreckig, die von Berlin-Mitte nach Friedrichshain führte. Ein Stadtteil, in dem ich schon immer lieber gewohnt hätte als im schicken, langweiligen Charlottenburg, wo sich Tobias so wohlfühlte.

    Ich sah mich schon in der Simon-Dach-Straße vor einer Kneipe über meinen Texten brüten. In Friedrichshain würde mich niemand erkennen, und selbst wenn, wäre ich den Leuten egal.

    Obwohl die Seitenstraße direkt von der Frankfurter Allee abging, über die Tag und Nacht der Verkehr donnerte, war es ruhig hier, was mich angenehm überraschte. Im Haus lebten acht Parteien, die Fassade war altrosa gestrichen. Eine Farbe, die perfekt zu den Jugendstilschnörkeleien passte und dem Haus eine warme Ausstrahlung verlieh. Das Treppenhaus hingegen war heruntergekommen. Graffiti an den Wänden, abgetretene Holzstufen, verbeulte Briefkästen im Hausflur. Tobias hätte auf dem Absatz umgedreht. Mir gefiel dieser morbide Charme.

    Vor der geöffneten Wohnungstür stand eine Kiste mit blauen Plastiksäckchen, die man sich über die Schuhe streifen sollte, um das Parkett nicht zu zerkratzen.

    Der Makler, ein junger Schnösel in grauem Anzug, beachtete mich kaum. Er redete gerade auf eine Frau mittleren Alters ein, die sich für die Lärmschutzdämmung des Hauses interessierte.

    Mir war das ganz recht, weil ich so die Wohnung erst mal allein erkunden konnte. Die Zimmer gingen von einem langen Flur ab. Das Bad war klein, wie bei fast allen Altbauwohnungen, aber es war frisch gekachelt und verfügte über eine Wanne. Auf dem Balkon würde es, wenn zwei Leute darauf säßen, eng werden. Das war mir egal. Schließlich konnte ich mir nicht vorstellen, je wieder mit einem Mann auf einem Balkon zu frühstücken.

    Die Wände, die bestimmt vier Meter hoch waren, strahlten weiß. Von den Stuckdecken grüßten die Putten. Das Parkett war frisch versiegelt und glänzte. Sonnenlicht fiel durch die großen Fenster. Die Wohnung war wie geschaffen für meine Bedürfnisse. Nicht zu groß, nicht zu klein. Frisch renoviert, sodass ich sofort einziehen konnte. Zentral gelegen, eine

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