Mein Mann der Moerder
Sanitäter noch nicht vergessen und rächte sich jetzt, indem er mich behandelte wie eine Geisteskranke.
»Verdammt noch mal«, keifte ich so laut, dass mir Spucketröpfchen aus dem Mund flogen. »Ich werde verfolgt. Mein Mann, der Kindermörder, bricht bei mir ein und bestiehlt mich. Ich bin ständig auf der Flucht vor Journalisten. Und Sie legen die Hände in den Schoß!«
Der Kommissar seufzte betont laut, stand auf, ging um den Schreibtisch herum, setzte sich aber nicht auf seinen Stuhl, sondern stützte seine Arme auf den Schreibtisch, beugte sich vor und sah mich an. Seine Körperhaltung hatte etwas Provozierendes.
»Frau Rabe«, sagte er dann belehrend im Ton, so als sei ich eine Grundschülerin, die ihre Matheaufgabe auch nach dem fünften Erklärungsversuch nicht begreifen wollte. »Ihr Mann war ganz sicher nicht in Ihrer Wohnung.«
Dass er mich dauernd beim Namen nannte, unterstrich seinen Hohn.
»Eigentlich darf ich Ihnen das gar nicht sagen, Frau Rabe. Aber obwohl wir die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Mann sich nach Hause zurückwagt, als gering einstufen, observieren wir das Haus. Rund um die Uhr. Wir hätten Ihren Mann gesehen und ihn verhaftet, noch bevor er auch nur Ihre Tür erreicht hätte.«
»Und wer war dann in meiner Wohnung?«, giftete ich.
Der Polizist ließ sich nicht beeindrucken. Er fing doch tatsächlich an zu lachen, prustete los, als hätte ich einen Witz zum Besten gegeben. Ein gackerndes Lachen, das eher zu einem Schuljungen gepasst hätte als zu einem Kommissar. Trotzdem traf mich jeder Ton wie eine Ohrfeige.
»Die Journalisten vielleicht«, wieherte er.
Daran hatte ich nicht gedacht. Ich überlegte einen Moment. Diese Aasgeier hatten immerhin auch unseren Altpapiercontainer durchwühlt. Aber einen Einbruch würden sie wohl kaum riskieren. Nein, es war Tobias gewesen. Ganz sicher. Niemand außer ihm hätte zwischen den Schmuckstücken, die er mir geschenkt und die ich mir selbst gekauft hatte, unterscheiden können.
»Liebe Frau Rabe …« Der Kommissar redete noch immer mit mir, als wäre ich nicht ganz dicht. »Ich habe gleich noch einen Vernehmungstermin. Aber ich werde den Kollegen vor Ort sagen, dass sie ein Auge auf Sie und Ihre Wohnung werfen sollen. Das verspreche ich Ihnen. In Ordnung?« Der Kommissar grinste blöde, ging zur Tür und öffnete sie.
Ich hatte verstanden. Er wollte mich loswerden. Ohne ihm die Hand zu schütteln, eilte ich nach draußen. Dieser Typ konnte mich mal. Ich hatte sowieso keine Zeit mehr. Ich musste zum Anwalt.
Dr. Anton Zimmer residierte in einer klassizistischen Villa mit Blick auf die Spree. Er war einer der renommiertesten Anwälte Berlins, vertrat viele Prominente und große Firmen. Es wunderte mich fast ein bisschen, dass ich ohne Probleme einen Termin bei ihm bekommen hatte. Seine Sekretärin war am Telefon sogar sehr nett zu mir gewesen. Aber wahrscheinlich hatte sie mich nur als Klientin angenommen, weil ich die Frau eines stadtbekannten Mörders war.
Die Empfangshalle war beeindruckend. Marmorböden, schwarze Ledermöbel, holzvertäfelte Wände. Nachdem mich die Empfangsdame gebeten hatte, noch einen Moment Platz zu nehmen, ließ ich mich in einen der eleganten Ledersessel fallen. Gedankenverloren nahm ich mir eine Illustrierte vom Tisch, blätterte darin. Plötzlich blickte ich in mein Gesicht. Neben mir lächelte Tobias in die Kamera. Unser Hochzeitsfoto. Daneben das Bild von Antonia. Diese dunklen, unschuldigen Augen …
Mir wurde schwindelig. Wenn der Sessel mich nicht geborgen hätte, wäre ich umgekippt. Die Aasgeier vom Berliner Express mussten die Fotos, die sie aus unserer Mülltonne geklaubt hatten, nach ihrer Veröffentlichung an Die Illustrierte weiterverkauft haben. Ich überflog den Artikel, merkte, wie meine Hände beim Lesen schweißnass wurden und am Papier klebten. Ein Mädchenmord schockiert Deutschland, las ich. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Wollte ich mir das wirklich noch einmal antun? Unwillkürlich blieb ich am letzten Absatz hängen.
»Ich verstehe das alles nicht«, sagt die Ehefrau des Mörders. Die überaus attraktive Blondine arbeitet als PR-Agentin bei einer namhaften Agentur. »Mein Mann war so ein lieber Mensch. Wir wollten Kinder.«
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich musste mich zusammenreißen. Am liebsten hätte ich dieses Mistblatt auf den Marmorboden geschleudert und wäre darauf rumgetrampelt. Aber das musste Dr. Zimmer für mich erledigen,
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