Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
Vom Netzwerk:
auf elegantere Art. Nach ein paar tiefen Atemzügen hatte ich mich wieder im Griff.

    Mein Blick fiel auf die Autorenzeile unter dem Artikel. Claudia von Samtleben. Von Samtleben? Ich überlegte. Irgendwie kam mir der Name bekannt vor. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Von Samtleben – so hieß doch die Journalistin, die mir am Telefon ins Ohr gesäuselt hatte, ich müsse keine Angst haben, sie wolle nur mit mir reden. Ich hatte ihren Namen zwar nicht richtig verstanden, glaubte mich aber jetzt dunkel an den Adelstitel zu erinnern.
    So recherchierte Claudia von Samtleben also ihre Artikel: Weigerte man sich, ihr Rede und Antwort zu stehen, legte sie ihren Opfern einfach in den Mund, was sie ohnehin zu schreiben gedachte.

    »Frau Rabe?« Eine Männerstimme riss mich aus meinen Gedanken. Vor mir stand ein auffallend gut aussehender Mann Ende vierzig. Mittelgroß, schlank. Er hatte volles, eisgraues Haar und blaugraue Augen. Sein Blick war ein Frontalangriff auf die Standfestigkeit weiblicher Knie. Seine Brauen, die dunkel geblieben waren, verliehen seinem Gesicht einen markanten Zug. Sein schwarzer Anzug saß tadellos.
    Nur die Schatten unter seinen Augen verrieten, dass er seine Nächte wahrscheinlich in seiner Kanzlei verbrachte und zu viel arbeitete.

    Der Anwalt lächelte, streckte mir seine rechte Hand entgegen.

    »Rabe«, stellte ich mich unbeholfen vor, obwohl der Anwalt meinen Namen natürlich kannte.

    »Zimmer. Guten Tag. Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen«, sagte er freundlich, drehte sich um und führte mich über die Marmortreppe in den ersten Stock, wo sein Büro lag.

    Aus Dr. Zimmers Bürofenster sah man auf die Spree und ins Grüne. Eine Aussicht, die ohne gediegenes Mobiliar auskam. Das Büro war nüchtern, fast eine Spur zu kühl eingerichtet. Grau lasierter Parkettboden, ein schlichter Schreibtisch mit dunkel gebeizter Platte, die von Beinen aus Metall getragen wurde, eine Designerlampe aus Aluminium, ein schwarz lackiertes Bücherregal, in dem Gesetzeskommentare standen. Als ich mich setzte, bemerkte ich das riesige Bild gegenüber der Fensterfront, das der Spree die Show stahl. Moderne Kunst. Expressiver Realismus. Eine Stilrichtung, die mich faszinierte, weil sie mit der Grenze zwischen realer Darstellung und abstrakter Kunst spielte. Das Bild zeigte den Mond hinter Bäumen. Doch die Baumstämme waren schwarz, nur angedeutet und ihrer Kronen beraubt. Im Hintergrund strahlten Felder in Orange, Blutrot, Grün, Türkis und Lila. Wie Feuer. Brannte der Wald? Ein rätselhaftes Motiv. Die Farben waren dick aufgetragen, wie mit einem Spachtel. Und der Mond hatte ein paar Kratzer. Landscape with Moonscratch – Dagmar Calais 2006, entzifferte ich den hingeworfenen Schriftzug in der rechten unteren Ecke des Bildes.

    »Interessieren Sie sich für moderne Kunst?«, wollte Dr. Zimmer wissen.

    »Oh, Entschuldigung.« Es war mir peinlich, dass ich so ungeniert auf das Bild starrte, aber ich konnte mich nicht davon lösen.

    »Ja, ich mag vor allem diesen halb abstrakten Stil, der sich nicht entscheidet zwischen abstrakter Kunst und gegenständlicher Malerei«, antwortete ich. »Das lässt so wunderbar viel Raum für Interpretationen. Gegenständliche Kunst langweilt mich.« Kaum dass ich den Satz beendet hatte, merkte ich, wie sehr er nach Möchtegern-Bildungsbürgerin geklungen hatte.

    Dr. Zimmer, der sich inzwischen hinter seinem Schreibtisch verschanzt hatte, lächelte. »Das ist wohl wahr«, antwortete er höflich.

    »Was kann ich für Sie tun?«

    »Ich möchte mich scheiden lassen«, sagte ich und schob Dr. Zimmer die aufgeschlagene Illustrierte über den Schreibtisch.

    Zimmer nahm das Heft, sah mich jedoch irritiert an.

    »Die Frau auf dem Hochzeitsbild, das bin ich.«

    Zimmer warf einen Blick auf den Artikel. »Äh, Sie sind …« Er brach den Satz ab. Vermutlich, weil er merkte, dass er kein höflich formuliertes Ende zuließ.

    »Die Ehefrau eines flüchtigen Kindermörders«, ergänzte ich kühl.

    Es wunderte mich ein wenig, dass der Anwalt nicht zu wissen schien, wer ich war. Schließlich war seine Sekretärin offenbar im Bilde gewesen. Zimmer schwieg, blickte noch immer irritiert auf die Zeitschrift.

    »Die Journalisten kamen vom Berliner Express, haben die Bilder aus unserer Altpapiertonne geklaubt und sie an Die Illustrierte weiterverkauft. Ich hatte meine Fotoalben entsorgt und nicht damit gerechnet, dass Reporter sogar im Müll auf Spurensuche gehen.«

    Dr. Zimmer schüttelte

Weitere Kostenlose Bücher