Mein Mann der Moerder
ausfocht. Wenn er nicht beteiligt war, schlug sich Anton Zimmer auf die Seite des Kindes, dessen Position ihm am aussichtslosesten erschien. Deshalb wunderte sich niemand, als der kleine Anton im Teenageralter verkündete, dass er Jura studieren und Anwalt werden wolle.
Doch während viele seiner Kommilitonen hehre Ziele verfolgten, »den Rechtsstaat gestalten«, »Konflikte professionell lösen« und »Menschen zu ihrem Recht verhelfen« wollten, hatte Anton Zimmer immer nur ein Ziel vor Augen gehabt: Er wollte viel Geld verdienen und reich werden. Sehr zum Leidwesen seiner Eltern, die sich einen idealistischeren Sohn gewünscht hätten. Seine Eltern, die Zimmer sehr liebte, waren Gymnasiallehrer. Nette, linke Gutmenschen. Zimmer war aufgewachsen zwischen meterhohen Bücherregalen, Yuccapalmen und politisch korrekt geflochtenen Korbmöbeln. Sein Vater unterrichtete Geschichte, seine Mutter Deutsch, Sozialkunde und Politik. Kaum, dass Anton laufen konnte, hatten seine Eltern ihn auf jede Anti-AKW-Demo mitgeschleppt und ihm Gorleben soll leben- Buttons an die selbst gestrickten Pullis gesteckt. Nie hatte Zimmer seine Mutter anders gesehen als in langen Batikkleidern oder Pluderhosen. Sie lief auf flachen Schuhen, die vorne breit waren wie Froschmäuler. Hochhackige Pumps und Miniröcke hielt sie für Verrat an der Frauenbewegung. Sein Vater hätte dergleichen auch nie verlangt; zumal er selbst keinen sonderlich großen Wert auf Äußerlichkeiten legte. Er kombinierte seine Breitcordhosen mit weiten Holzfällerhemden und Sandalen, in denen er sich sommers wie winters mit dicken Wollsocken gegen die Witterung schützte.
Anton Zimmer liebte Maßanzüge und handgenähte Budapester. Er sammelte moderne Kunst, die seinen Designermöbeln Seele einhauchen sollte. Außerdem hatte er eine Schwäche für Frauen, die in Miniröcken und auf Stilettos in sein Leben stöckelten. Sein Ziel hatte er längst erreicht. Er wohnte in einer Villa, fuhr Porsche, vertrat viele Prominente und große Firmen.
So war diese Sache eigentlich ein paar Nummern zu klein für ihn. Aber seine Sekretärin hatte sich am Telefon von Frau Rabe erweichen lassen, weil die so unendlich verzweifelt geklungen hatte. Na ja, das würde halt einer seiner ›Charity-Fälle‹ werden, mit denen er bei seinen Eltern punkten konnte. Die Scheidung konnte er einem seiner angestellten Anwälte aufdrücken.
Ihren Job würde Xenia Rabe sicher nicht wiederbekommen. Aber vielleicht konnte er eine Abfindung rausholen. Geld brauchte diese bedauernswerte Frau sicher dringend. Aber diese Geschichte mit der Illustrierten und den Journalisten, die sie ihm erzählt hatte … Ohne Worte …
Zimmer schüttelte den Kopf. Völlig durch den Wind diese Frau, keine Frage.
Sarah Obermeier ging in der Redaktion nicht ans Telefon. Zimmer versuchte es auf ihrem Handy und hatte Glück.
»Sarah, meine Liebe. Geht’s dir gut?« Zimmer hatte sich angewöhnt, die Leute nicht zu fragen, wie es ihnen ging, sondern sich nur danach zu erkundigen, ob es ihnen gut ginge. Das verkürzte den Pflichtteil der Konversation enorm. Zeit war Geld und besonders seine Zeit war teuer.
»Ja, danke, und dir?«
»Auch gut«, antwortete Zimmer knapp. »Hör mal, meine Liebe, sagt dir der Name Xenia Rabe etwas?«
Sarah Obermeier stöhnte. »O ja, die Geschichte, hör mir bloß auf …«
*
Sebastian Schellenberger fühlte sich wie neugeboren. Er hatte seit Tagen keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Dafür gab es den schönsten Grund, den man sich wünschen konnte – Basti war verliebt. Diese undankbare Geschichte mit der Rabe hatte sich für ihn als glückliche Fügung entpuppt. Kristina wohnte ein Stockwerk über den Rabes. Basti hatte sie kennengelernt, als er im Haus die Nachbarn abgeklappert hatte, um sie ein bisschen über das Ehepaar auszuhorchen. Ein unangenehmer Job. Basti hasste solche Aufträge, pflegte ein paar Feiglinge zu kippen, bevor er sich mit Matze auf den Weg machte. Er hatte keine Wahl, brauchte den Job. Zumindest so lange, bis er es geschafft hatte, seinen ersten Roman zu veröffentlichen. Inzwischen war er auf Seite neunundsechzig.
Matze und er waren damals systematisch vorgegangen. Im Erdgeschoss war niemand zu Hause gewesen. Die Rabe hatte sich zwar in ihrer Wohnung aufgehalten, durch ihre Tür war laute Musik zu hören gewesen. Sie hatte aber nicht geöffnet.
Also waren sie die Treppen zum zweiten Stock hinaufgegangen. Nötzelmann stand auf dem Schild neben der
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