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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
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Tag«, lächelte sie mich freundlich an. »Wollen Sie zu uns?« Ihre Herzlichkeit, die so gar nicht zu diesem unnahbaren Anwesen passen wollte, überraschte mich.

    »Entschuldigen Sie bitte. Aber wohnt hier nicht eine Frau Rabe?«, fragte ich.

    Frau Hintsch schüttelte den Kopf. Ihr Lächeln erstarb. »Nicht mehr. Frau Rabe ist schon seit zwei Jahren tot. Krebs. Wir haben ihr das Haus kurz vor ihrem Tod abgekauft.«

    Entgeistert sah ich die neue Hausherrin an. Tobias’ Mutter war gestorben?! Und er hatte kein Wort darüber verloren? »Danke«, murmelte ich verwirrt, drehte mich um und eilte davon. Im Nacken spürte ich den irritierten Blick dieser Frau.

    Ziellos fuhr ich durch Aalsen. Gepflegte Einfamilienhäuser. Geraffte Gardinen vor den Fenstern. Gestutzte Thujahecken, Jägerzäune, akkurate Beete, in denen Geranien, Stiefmütterchen und Petunien blühten. Der Rasen war überall gemäht. Hier herrschte Ordnung. In jedem Winkel.

    Plötzlich glaubte ich zu verstehen, warum Tobias aus diesem Mief ins Großstadtleben geflohen war. Warum er gern den Mann von Welt mimte. Sich sein Leben mit Designermöbeln und moderner Kunst einrichtete. Das Kulturprogramm in diesem Dorf beschränkte sich wahrscheinlich auf das Schützenfest im Sommer und den Feuerwehrball im Winter.

    Ich war sehr aufgewühlt. Dass Tobias den Tod seiner Mutter nicht erwähnt hatte, ließ mir keine Ruhe. Er war sicherlich nicht einmal zur Beerdigung gefahren. Jedenfalls hatte ich nichts, absolut nichts, davon mitbekommen. Auf der anderen Seite war mir ja so manches entgangen.

    Aber warum, verdammt noch mal, hatte die krebskranke Elena Rabe ihr Haus kurz vor ihrem Tod schnell noch verkauft, anstatt es ihrem einzigen Sohn zu vererben? Ich fuhr um die Kirche herum und bog spontan nach links ab. Dort sah ich das Schild am Straßenrand: Zum Friedhof. Ohne zu zögern, setzte ich den Blinker und folgte dem Wegweiser. Auf dem Friedhof würde ich vielleicht das Grab von Elena Rabe finden und wenigstens erfahren, wann sie genau gestorben war.

    Der Friedhof war kein alter, eingewachsener Kirchhof, der zu romantischen Spaziergängen einlud. Die Pforte des Jägerzauns, die schief in den Angeln hing, quietschte leise und schrammte beim Öffnen über den Erdboden. Die Gräber ähnelten sich. Grabsteine aus poliertem Granit. Rot, schwarz oder grau. Hier und da ein schlichtes Holzkreuz. Die Erde war geharkt, die Buchsbaumhecken waren gestutzt, die Gräber alle gepflegt. Die Bepflanzung war praktisch wie bieder. Pinkfarbene Begonien, die so grell leuchteten, dass sie künstlich wirkten. Blassblaue Vergissmeinnicht, die wohl auf keinem Friedhof fehlten, knallrote Salvien und Geranien. Immer wieder das gleiche Gedeck, durchbrochen von Rhododendronbüschen und Koniferen. Genügsame Pflanzen, die nicht allzu viel Arbeit machten. Der Friedhof war zwar nicht groß, aber zu groß, um das Grab von Elena Rabe ohne Hilfe zu finden. Ich wollte gerade wieder gehen, als ich hinter den Grabsteinen einen Friedhofsgärtner entdeckte, der mit Hingabe eine Konifere stutzte. Er hielt die widerspenstigen Zweige zwischen Daumen und Zeigefinger, schien genau zu überlegen, wo er seine Gartenschere ansetzen sollte. Nach dem Schnitt schnellte der Zweig zurück. Der Gärtner strich mit beiden Händen über den Busch. Wie ein Friseur, der den Haarschnitt eines Kunden begutachtet, prüfte er, ob sich der gestutzte Zweig in das Buschwerk einfügte. Ich ging zu dem Mann hinüber. Er war so vertieft in seine Arbeit, dass er mich gar nicht wahrnahm. »Entschuldigen Sie, wissen Sie vielleicht zufällig, wo das Grab von Elena Rabe liegt?«

    Der Mann sah nur kurz zu mir auf. Er war schon alt, seine Gesichtshaut von Sonne und Arbeit an frischer Luft gegerbt. »Hinten, vorletzte Reihe, etwa in der Mitte«, knurrte er.

    »Danke«, antwortete ich. Doch der Friedhofsgärtner widmete sich schon wieder der Konifere.

    Der Weg führte vorbei an Kindergräbern, auf denen Teddybären und andere Stofftiere saßen. Auf einem Grab standen kleine Granitblöcke, die Bauklötzen nachempfunden waren. Das Kind, ein Junge namens Tim, war nur drei Jahre alt geworden. Obwohl die Sonne schien und es sehr warm war, bekam ich eine Gänsehaut. Die armen Eltern, dachte ich. Vielleicht hatten sie sich sehnsüchtig ein Kind gewünscht. Und dann starb es plötzlich durch Krankheit oder Unfall. Oder die Polizei stand vor der Tür und überbrachte die Nachricht, dass ein Unbekannter …

    Ich verbot mir jeden weiteren

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