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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind
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Sprache wieder. »Das war die Rache für Unger«, sagte er mit matter Stimme.

    Matze nickte nur.

    Plötzlich tauchte Becker hinter ihnen auf. Er schien sich weder am Gestank noch am Anblick der aufgeblähten Leiche zu stören.

    »Na, meine Herren«, fragte er, als sei nichts gewesen. »Schöne Fotos gemacht?«

    *

    Gegen Mittag kam ich in Aalsen an. Vielleicht lag hier, in diesem niedersächsischen Dorf bei Hamburg, wo Tobias aufgewachsen war, der Schlüssel zu seiner Tat. Meine Entscheidung stand fest. In dem kleinen Landhotel am Beetzsee, in das ich mich nach meinem Besuch bei Antonias Mutter verkrochen hatte, war mein Plan gereift. Ja, ich würde Tobias töten und ich wusste auch schon, wie. Ich hatte die letzten Tage im Hotelzimmer verbracht, im Bett mit meinem Laptop auf dem Schoß. Im Internet fand man ja nahezu alles. Sogar den Plan für einen Mord.

    Die Hauptstraße schnitt den Ort in zwei Teile. Tobias’ Vater war Ingenieur gewesen und früh gestorben. Seine Mutter hatte ihren Beruf als Krankenschwester aufgegeben, als ihr Sohn geboren wurde. Mehr hatte mein Mann nicht preisgegeben, war immer sehr einsilbig geworden, wenn ich es gewagt hatte, ihn nach seiner Kindheit zu fragen. Ich hatte nie etwas dagegen gehabt, dass die Vergangenheit in unserer Beziehung ein Tabuthema gewesen war. Auch von Peter hatte ich Tobias nie erzählt.

    Aalsen war ein Dorf, dem man ansah, dass es von findigen Architekten auf dem Reißbrett entworfen und innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft worden war. Im Internet hatte ich gelesen, dass ein paar Bauern, die jahrhundertelang auf ihren Höfen unter sich geblieben waren, in den Siebzigerjahren ihre Felder als Bauland verkauft hatten. Das hatte die Bauern zwar reich werden lassen, doch sie waren bald darauf eingekesselt von Neubaugebieten. Mittlerweile waren die Zugezogenen in der Überzahl.

    Der Ort dämmerte in der Mittagshitze vor sich hin. Auf der Hauptstraße waren kaum Autos unterwegs.

    Ich hatte bei der Kripo nicht die Wahrheit gesagt. »Nein, mein Mann hatte keine abartigen Vorlieben. Bei uns war alles völlig normal.« Das war zwar nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit gewesen.

    Es war etwa ein halbes Jahr her. Wir hatten es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht. Im Fernsehen lief die x-te Wiederholung des Kinoklassikers Der weiße Hai. Wir sahen uns den Film nicht an, sondern nutzten den Fernseher als Geräuschkulisse, um unsere Sprachlosigkeit zu kaschieren.

    Ich blätterte in der Vogue. Tobias entkorkte gerade die zweite Flasche Rotwein. Er trank viel. Wahrscheinlich, um seine innere Leere zu betäuben. Denn in Wirklichkeit langweilten wir uns. Wir führten ein aufgeschäumtes Latte-macchiato-Leben. Unsere gut bezahlten Jobs waren Routine geworden. Wir hatten keine Freunde, keine wirklichen Interessen, lebten von Anschaffung zu Anschaffung, hatten uns schon nach so kurzer Zeit nichts mehr zu sagen. Wir hätten nie, nie heiraten dürfen. Aber als ich Tobias traf, war ich zermürbt gewesen von Einsamkeit. Die biologische Uhr tickte und tickte. Anstatt Tobias direkt zu fragen, war ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass er Kinder haben wollte. Als er es aber strikt ablehnte, Vater zu werden – »Ich bin allergisch gegen plärrende Gören. Außerdem will ich mein Leben mit dir genießen und keine Windeln wechseln« –, hatte ich mich still und traurig gefügt. Aus Angst, dass er mich sitzen lassen würde mit Kind, hätte ich ihn niemals reingelegt. Das war mein großes Problem. Ich wollte, nachdem ich schon mein Leben lang allein gewesen war, nie mehr einsam sein.

    Tobias schenkte den Wein direkt aus der Flasche in die Gläser. Vor anderen Leuten hätte Tobias den guten Tropfen nie einfach so eingeschüttet. Wenn wir Gäste hatten, was sehr selten und nur aus beruflichen Gründen vorkam, gerierte Tobias sich gern als Kenner, servierte den Wein aus einer teuren Karaffe, betonte, dass er den guten Tropfen schon vor mehreren Stunden ›dekantiert‹ habe. Er trank dann vor den anderen den ersten Schluck, spülte den Wein im Mund hin und her, kaute ihn, merkte gar nicht, wie albern er aussah. Nur wenn wir allein waren, sparte er sich dieses Theater.

    Tobias reichte mir das Glas und prostete mir zu. Und dann fragte er mich aus heiterem Himmel: »Sag mal, Schatz, was hieltest du davon, wenn wir mal in einen Swingerklub gingen?« Tobias stellte mir diese ungeheuerliche Frage so nüchtern, als würde er mich bitten, ihm das Salz über

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