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Mein Mutiger Engel

Mein Mutiger Engel

Titel: Mein Mutiger Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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einem echten Gemäuer", sagte er in völlig leidenschaftslosem Ton. Seine Augen waren wieder trocken, nur seine zur Faust geballte rechte Hand verriet seine Gemütsregung.
    Aus grau-weißem Stein erbaut, mit Türmchen und Rondellen und einer Vielzahl von Dächern, wirkte das Gebäude bald wie ein Märchenschloss, bald wie ein Palast.
    "Es kommt mir ungeheuer groß vor." Als Katherine das Zittern in ihrer Stimme hörte, gab sie sich einen Ruck. Anscheinend stand Nick in irgendeiner Verbindung zu der Familie des Dukes. "Nick, was tun wir hier?"
    "Dies ist mein Zuhause", erwiderte er schlicht, während die Kutsche am Fuß einer breiten Freitreppe hielt, die zu dem imposanten Portal führte.
    Nick stieß den Wagenschlag auf. Erst half er Katherine heraus, dann Jenny, der vor Staunen der Mund offen stand. "Folgen Sie dem Weg zur Seite des Gebäudes, dort werden Sie die Stallungen finden", rief er John zu, bevor er mit Katherine am Arm die Treppe hinaufstieg.
    Zu überwältigt, um ein Wort zu sagen, ließ sie sich von ihm führen. Kaum oben angelangt, ging wie auf ein Zeichen die Eingangstür auf. Ein livrierter Lakai erschien, gefolgt von einem dünnen, älteren Mann in dunkler, adretter Kleidung – unverkennbar der Butler.
    "Guten Tag, Sir, Maam. Zu meinem Bedauern ist Seine Gnaden …", begann der Butler. Dann hielt er jäh inne und starrte die Neuankömmlinge an. "Mr. Nicholas! Mylord!" Er erblasste. "Dem Himmel sei Dank, Mylord, wir hielten Sie schon für tot. Sechs Jahre …", brachte er mit zitternder Stimme hervor.
    "Heron, wenn Sie die Contenance verlieren, kann auch ich keine mannhafte Haltung wahren", erwiderte Nick, dessen Ton deutlich seine Zuneigung verriet. "Ich hatte mich darauf verlassen, dass wenigstens Sie den verlorenen Sohn bei seiner Rückkehr ruhig und würdevoll empfangen. Enttäuschen Sie mich bitte nicht."
    "Nein, Mylord, selbstverständlich nicht. Es muss am Wind liegen, dass meine Augen tränen." Rasch rieb er sich die Augen und setzte wieder seine undurchdringliche Butlermiene auf. "Wir dürfen die Dame nicht hier draußen warten lassen, Mylord, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf."
    In der Eingangshalle ertappte sich Katherine dabei, dass sie sich staunend umsah wie eine Besucherin in einer Ausstellung. Während sie noch die hohe Decke, die weißen Marmorfliesen, die mit blauem Moiré tapezierten Wände und die großen Gemälde bewunderte, erschien ein hochgewachsener junger Mann oben auf der Treppe. Beim Anblick der Neuankömmlinge blieb er abrupt stehen und rief: "Nick!" Dann lief er eilig die Stufen hinab.
    Er war etwa fünf Jahre jünger als Nick, hatte braunes Haar und eine schlaksigere Figur. Dennoch erriet Katherine sofort, dass es sich um den Bruder handelte, von dem Nick mit so viel Zuneigung gesprochen hatte.
    "Robert!" Die beiden Männer umarmten einander, und Robert sprudelte eine Flut von Fragen und unvollendeten Sätzen hervor.
    "Verzeihung, Maam", sprach der Butler Katherine an. "Ich fürchte, die Herren werden noch eine Weile beschäftigt sein. Haben Sie Gepäck, Maam? Diese junge Frau ist vermutlich Ihre Zofe?"
    Sie riss sich zusammen. In einem vornehmen Haus musste man tunlichst darauf achten, bei den höheren Bediensteten einen guten Eindruck zu hinterlassen. Auf keinen Fall wollte sie Nick enttäuschen.
    "Danke, Heron. Ja, das ist meine Zofe Jenny Pilgrim. Mein Diener bringt gerade die Kutsche mit unserem Gepäck zu den Stallungen." Sie holte tief Luft und fügte mit einem freundlichen Lächeln hinzu: "Ich nehme an, Sie haben die Nachricht nicht erhalten, mit der mein Gatte unsere Ankunft ankündigen wollte?"
    Der Butler verzog keine Miene, nur seine Augen weiteten sich ein wenig. Dafür bewunderte sie ihn, zumal der arme Mann an diesem Morgen schon mehr Aufregungen erlebt hatte, als einem alten, treuen Diener der Familie gerechterweise zugemutet werden durften. "Mylady. Willkommen auf Seaton Mandeville. Ich bedaure zutiefst, dass wir nicht das gesamte Personal zusammenrufen konnten, um die neue Marchioness gebührend zu empfangen."
    So, jetzt war es ausgesprochen. Allem Anschein nach war sie eine Marchioness – jedenfalls vorübergehend. Irgendwie musste sie dieses bizarre Gespräch in Gang halten, bis Nick sie erlösen konnte. "Dafür habe ich vollstes Verständnis. Ich freue mich darauf, sie alle später kennenzulernen." Ob der Butler die Angst in ihren Augen sah? Wie viele Bedienstete mochten in diesem Palast beschäftigt sein? Wahrscheinlich mehrere Hundert.

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