Mein mutiges Herz
Artikel, dass Rudolph Graham, der einzige Sohn von Lord Renhurst, in Untersuchungshaft in Newgate im Gefängnis saß. Es wurden Einzelheiten genannt, unter anderem, dass Rudy beide Mordopfer gekannt habe und von einer Zeugin wiedererkannt worden sei, die gesehen haben wollte, wie er vom Ort des letzten Verbrechens geflohen war.
„Nach diesem Zeitungsartikel“, fuhr Lindsey fort, „wird es für uns ein anstrengender Abend werden, befürchte ich. Ich wünschte, Lieutenant Harvey hätte sich bereit erklärt, sich alleine mit mir zu treffen, um uns diesen Abend zu ersparen.“
„Und du glaubst nicht, dass er dazu bereit wäre.“
„Nein, ich denke, ihm liegt zu viel an seiner Karriere.“
„Also bemühen wir uns, einen möglichst guten Eindruck zu machen. Es ist wichtig, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir hinter Rudy stehen und nicht den geringsten Zweifel an seiner Unschuld haben.“
„Du hast recht. Im Übrigen brauche ich neues Material für meine Kolumne. Ich bin in letzter Zeit nicht oft ausgegangen.“
Tante Dee zog eine fein geschwungene Braue hoch. „Zu schade, dass du nichts über deine nächtlichen Abenteuer schreiben kannst. Deine Leserinnen würden einen Artikel über deinen Ausflug in ein Bordell gewiss mit Begeisterung verschlingen.“
Lindsey errötete. „Zweifellos. Allerdings würde ich mich danach nie wieder in der Gesellschaft blicken lassen können.“
Tante Dee seufzte. „Sollte es uns nicht bald gelingen, die Unschuld deines Bruders zu beweisen, wird das ohnehin bald der Fall sein.“
Von unten drangen Stimmen herauf. Lindsey öffnete die Tür einen Spalt und horchte. „Ich glaube, der Colonel ist eingetroffen.“
Delilah strahlte. „Gut, dann wollen wir ihn nicht warten lassen.“ Die beiden begaben sich nach unten, um den Besucher zu begrüßen.
„Meine Damen.“ Ein hochgewachsener, gut aussehender Herr mit blondem, von Silberfäden durchzogenem Haar und einem distinguierten Oberlippenbärtchen begrüßte sie lächelnd am Fuß der Treppe. „Welche Ehre für mich, zwei so bezaubernde Schönheiten ausführen zu dürfen.“
Er reichte Tante Dee den Arm. „Und Sie, Colonel, sehen umwerfend gut aus. Ich fürchte, ich muss mich vor Ihnen in Acht nehmen.“
Der Colonel lachte leise. „Ich hoffe nicht allzu sehr, meine Liebe.“ Sein Blick sprach Bände.
Lindsey schmunzelte und hoffte, ihre Tante würde den Abend mit dem Colonel genießen. Ihr selbst war nicht nach einem Ballbesuch zumute, aber sie wollte die seichten Unterhaltungen gerne erdulden, um die nötigen Informationen zu erhalten.
Der Butler legte ihr die seidengefütterte Pelerine um die Schultern, und sie begab sich zur Tür in der Hoffnung, Lieutenant Michael Harvey würde sich als ebenso nützlich erweisen wie bisher.
11. KAPITEL
Im Schatten des Gartens verborgen stand Thor vor dem Herrenhaus des Earl of Kittridge. Durch die hohen Fenster beobachtete er die festlich gekleideten Gäste im Ballsaal. Auf einem Podest an einer Stirnseite spielten acht Musiker in Silberperücken und blauen Seidenlivreen. Diener trugen Silbertabletts mit Champagnergläsern und Delikatessen durch das Gedränge.
Lindsey stand mit ihrer Tante in der Nähe des Tisches mit den Erfrischungsgetränken. Thor hatte sie augenblicklich an der Art erkannt, wie sie sich bewegte und wie sie den Kopf neigte, als sie in einem grünblauen Ballkleid den Saal betrat. Sie bewegte sich mit einer Anmut und Eleganz wie keine andere Dame im Saal.
Besorgt wegen der Fragen, die sie gestellt hatte, und der Gefahr, in der sie möglicherweise schwebte, hatte er mit Krista gesprochen, die seine Besorgnis teilte. Seine Schwägerin hatte ihm berichtet, dass Lindsey den Ball in Kittridge House besuchen würde, den der Earl zur Feier des Geburtstags seiner Tochter veranstaltete.
Also hatte Thor sich kurz vor Lindseys Eintreffen in den Garten geschlichen und sich im Schatten der Sträucher an einer Stelle versteckt, von der er den hell erleuchteten Saal beobachten konnte.
Sein Blick schärfte sich, als er Michael Harvey entdeckte, der Lindsey zum Tanzparkett führte und sich mit ihr im Walzertakt drehte. Die beiden tanzten dicht an einem Fenster vorbei, Lindsey lächelte selig zum Lieutenant auf. Und zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Thor, die Walzerschritte zu beherrschen, wünschte, er wäre der Mann, der Lindsey in seinen Armen hielt.
Narr, schalt er sich, die Frau ist nicht für dich bestimmt.
Aber ihm wurde eng um die Brust. Eifersucht
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