Mein mutiges Herz
zogen.
Lindsey erfreute sich wie immer an der Schönheit des Hauses, ursprünglich ein Geschenk ihres Urgroßvaters an seine Gemahlin zum fünfzehnten Hochzeitstag. Das Paar hatte dreißig glückliche Jahre darin verbracht, bevor der alte Herr verstorben war. Sechs Monate später folgte ihm seine Gemahlin ins Grab, und man munkelte, sie sei an gebrochenem Herzen gestorben.
Eine romantische Geschichte, die in Lindsey immer wieder den Wunsch nach einer erfüllten Liebe weckte, wie sie ihren Urgroßeltern beschieden war. Auf dieses Glück musste sie leider verzichten, damit hatte Lindsey sich bereits abgefunden.
Erschöpft von der langen holprigen Fahrt über die vom Regen aufgeweichten Straßen, lehnte sie sich in die weichen Samtpolster zurück und ließ den Blick über das sanfte grüne Hügelland schweifen. Eine Schar Wildenten strich flügelschlagend tief über einen Weiher, und auf einer Wiese in der Ferne ließen zwei Buben langschwänzige bunte Drachen fliegen.
Die Kutsche hielt vor dem Portal, das von zwei Pilastern getragen wurde. Ein Diener eilte herbei und öffnete den Wagenschlag. Ein frischer Wind blähte Lindseys Umhang, die Sonne zeigte sich gelegentlich durch die rasch ziehenden Wolken und brachte die Blätter der Bäume in einer Farbpalette aus tiefem Gold und Rot, gemischt mit orangefarbenen Tönen, zum Leuchten, die sich vom satten Grün des Rasens und der Sträucher abhoben.
Während Lindsey die breiten Steinstufen hinaufstieg, warf sie einen Blick zu den Ställen hinüber. Auch die Pferde hatte sie vermisst. In den Stallungen ihres Vaters standen edle Rassepferde, die es mit den Vollblütern in Lord Merricks Stallungen aufnehmen konnten.
Sie konnte es kaum erwarten, sich bald in den Sattel zu schwingen. Querfeldein im Galopp durch die Gegend zu jagen, über Hecken und Zäune zu setzen und durch das aufspritzende Wasser des Baches zu waten war natürlich aufregender, als die ewig gleichen Runden durch den Park zu reiten.
Das Portal wurde geöffnet. Der Butler, ein hagerer Mann mit buschigen grau melierten Brauen, empfing sie mit einem herzlichen Lächeln. „Willkommen zu Hause, Miss.“
„Guten Tag, Creevey. Es tut gut, wieder daheim zu sein.“
„Ihr Bruder ist ausgeritten, aber Ihre Tante erwartet Sie im roten Salon.“
„Sehr gut.“
„Ich kümmere mich um Ihr Gepäck.“
Sie nickte und durchquerte die große Halle. Tante Dee saß im Salon an einem goldgefassten französischen Schreibtisch, den Blick auf die mit Leder bezogene Schreibplatte gesenkt.
Bei Lindseys Eintreten erhob sie sich mit einem strahlenden Lächeln. „Wie schön, dich zu sehen. Wie war die Reise?“
„Holprig und unbequem.“
Tante Dee lachte. „Die Straßen sind um diese Jahreszeit in einem elenden Zustand.“ Sie warf einen Blick auf den Stapel Einladungen, die sie adressiert hatte. „Ich hoffe nur, dass der Regen unsere Gäste nicht abschreckt.“
Lindsey folgte ihrem Blick zu dem stattlichen Stapel der mit Goldlettern bedruckten Karten. „Ich dachte, du wolltest nur ein paar Gäste einladen.“
„Es sind nur etwa fünfzehn. Das Haus hat sechzig Gästezimmer. Ich denke nicht, dass es uns an Platz fehlen wird.“
Lindsey schmunzelte. „Vermutlich nicht.“ Sie nahm die Einladungen zur Hand und fächerte sie durch. „Wie ich sehe, ist Mr. Langtree unter den Gästen.“
„Selbstverständlich.“
„Er scheint ein angenehmer Mensch zu sein.“
Delilah wandte den Blick ab, und ein rosiger Hauch überflog ihre Wangen. „Ja, der Colonel ist ein glänzender Unterhalter.“
Lindsey schwieg. Sie würde sich freuen, wenn ihre Tante einen Lebensgefährten fände, der ihren Ehemann ersetzte, den sie vor zehn Jahren verloren hatte. Ihre Ehe mit dem Earl of Ashford, einem wesentlich älteren Mann, war eine arrangierte Verbindung gewesen. Beim zweiten Mal verdiente sie eine Liebesheirat.
Lindsey sah die anderen Einladungen durch. „Du hast den Earl und die Countess of Tremaine eingeladen. Ich hoffe sehr, sie können kommen.“
„Grayson ist ein interessanter Mann. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen und möchte ihn gern näher kennenlernen.“
„Ja, mir ergeht es ebenso.“ Lindsey las den Namen auf der nächsten Karte. Stephen Camden, Viscount Merrick. „Wie schön. Ich hoffte, er steht auf deiner Gästeliste.“
„Er wird ja nicht bei uns übernachten, da er in der Nachbarschaft wohnt, aber ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen.“
Lindsey nickte. Und sein Besuch würde ihr Gelegenheit
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