Mein mutiges Herz
geben, herauszufinden, ob es einen triftigen Grund dafür gab, warum der Schreiber der anonymen Briefe seinen Namen im Zusammenhang mit den Morden erwähnt hatte.
Sie las die nächste Einladung. „Hoffentlich können Krista und Leif kommen. Es wird nicht leicht sein mit dem Baby und ihren Verpflichtungen in der Redaktion.“
Sie hätte sich gewünscht, Thors Namen zu finden, aber er hasste gesellschaftliche Anlässe. Sie entsann sich, wie umwerfend gut er in seinem eleganten Abendanzug bei Lord Kittridges Ball ausgesehen hatte. Wenn er sich zusammennahm, konnte er sich gut in die Rolle eines Gentlemans einfinden.
Aber es wäre nicht fair, von ihm zu erwarten, sich zu verändern, nur um ihr einen Gefallen zu tun. Thor war sein eigener Herr und lebte nach seinen Prinzipien, auch diese Eigenschaft gefiel ihr an ihm.
Sie schätzte seine Fürsorge, auch wenn sie ihr gelegentlich lästig war. Sie mochte seine Sanftheit und sein Feingefühl, die man hinter seinem eindrucksvollen Äußeren nicht vermutete. Und nicht zuletzt mochte sie an ihm, dass er ein Mann war – ein echter Mann, kein aufgeblasener Dandy.
Lindsey straffte die Schultern. „Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich in mein Zimmer und packe aus. Ich bin müde nach der langen Reise.“
„Selbstverständlich.“ Ihre Tante nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz und tauchte den Federhalter ins Tintenfass. „Wir essen um acht. Dein Bruder wird uns Gesellschaft leisten. Ruh dich aus, wir sehen uns später.“
Lindsey nickte. Hier in Renhurst Hall war Rudy in Sicherheit, vorübergehend wenigstens. Aber die Drohung, erneut festgenommen zu werden, hing immer noch über ihm wie ein Damoklesschwert. Während sie die Treppe nach oben ging, dachte sie an die anonymen Briefe und überlegte, wie sie herausfinden könnte, ob ein Körnchen Wahrheit darin steckte.
Um acht Uhr früh fand Thor sich am Eingang von Capital Ventures vor einem Schild wieder, auf dem stand: GESCHLOSSEN. Wütend und umso entschlossener zu erfahren, was aus seinen Wertpapieren geworden war, machte er kehrt. Allerdings musste die Angelegenheit warten bis nach seiner Rückkehr aus Renhurst. Mit der Reisetasche in der Hand, machte er sich auf den Weg zur nächsten Poststation.
Im Augenblick hatte er Dringenderes zu erledigen, als Silas Wilkins zur Rede zu stellen.
Da das Wageninnere der Postkutsche zu eng war für einen Mann seiner Statur, erklomm er den Sitz neben dem Fahrer, wo er die frische Luft und die vorbeiziehende Landschaft genießen konnte. Der Wagen rollte in mäßiger Geschwindigkeit auf der Landstraße dahin und erreichte das Dorf fünfzehn Minuten vor der geplanten Ankunft um vier Uhr nachmittags. Er entdeckte ein Schild mit der Aufschrift Foxgrove Tavern, trat ein und erkundigte sich bei dem Schankmädchen nach dem Weg zu Renhurst Hall.
„Da drüben liegt das Haus. Die kleine Straße den Hügel hinauf“, erklärte sie und deutete mit dem Arm aus dem Fenster. Er gab dem Mädchen eine Münze. „Und wo liegt Merrick Park? Es muss ganz in der Nähe sein.“
„Merrick Park liegt auch an dieser Straße auf der anderen Seite des Hügels. Der Besitz des Viscounts grenzt an Renhurst Hall.“
„Vielen Dank.“ Thor machte sich auf den Weg. Die schmale Straße war immer noch aufgeweicht vom Regen der letzten Nacht. Er wich den Pfützen und Schlaglöchern aus, bis er eine gepflegte Kiesauffahrt erreichte. Zwei hohe Steinsäulen markierten die Einfahrt zu Renhurst Hall, das von der Straße aus nicht zu sehen war. Statt in die Kiesauffahrt einzubiegen, folgte er der Straße nach Merrick Park.
Vor seiner Abreise hatte er beschlossen, selbst einige Nachforschungen anzustellen. Der einfachste Weg, um etwas zu erreichen, war seiner Meinung nach, die Sache direkt anzugehen. Diesmal schlug er die Auffahrt ein, und nach einer Wegbiegung tauchte der rote Ziegelbau des Herrenhauses vor ihm auf und in einiger Entfernung dahinter ein lang gezogenes, flaches, mit Holzschindeln gedecktes Gebäude, in dem er die Stallungen vermutete.
Bei seinen bisherigen Nachforschungen hatte er erfahren, dass Stephen Camden ein erfolgreicher Pferdezüchter war, der Besitzer eines großen Gestüts preisgekrönter Rennpferde. Thor kannte sich mit Pferden aus und hoffte, eine gewisse Zeit mit den Pferden des Viscounts arbeiten zu können.
Über die Dienerschaft konnte man einiges über einen Dienstherrn in Erfahrung bringen. Außerdem wäre er Lindsey nahe genug, um sie im Auge zu behalten, da ihr Elternhaus
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