Mein mutiges Herz
beklommen.
„Geht die Sonne jeden Morgen auf?“
Sie lächelte. „Dann komme ich heute wieder zu dir.“
Die Kutsche hielt, und Lindsey öffnete den Wagenschlag. Bevor sie aufstehen konnte, ergriff Thor ihr Handgelenk.
„Ich würde dich gern zur Tür bringen, aber ich darf nicht. Und das gefällt mir ganz und gar nicht, Lindsey. Ich darf dich nicht heiraten, und wir sind gezwungen, uns heimlich zu treffen, als sei das, was wir tun, ein Verbrechen.“
„Ich bin deine Mätresse, Thor, nicht deine Ehefrau. Wir haben keine andere Wahl.“
Sanft drückte er sie wieder auf die Bank, stieg aus und hob sie auf den Gehsteig. „Ich warte um Mitternacht an der Straßenecke auf dich.“
Sie freute sich über seine rasche Zustimmung. „Abgemacht.“
„Lass mich wissen, wenn du wieder zur Vernunft kommst.“
Lindsey lachte hell und hauchte einen flüchtigen Kuss auf seine Lippen. Thor zog sie in die Arme und küsste sie tief und leidenschaftlich.
Sie legte eine Hand an seine Wange. „Meine Vernunft setzte aus, als du mich zum ersten Mal geküsst hast.“ Und dann huschte sie eilig durch den Garten ins Haus.
15. KAPITEL
Thor bediente den Messingklopfer am Stadthaus seines Bruder und trat einen Schritt zurück, als der Butler öffnete und ihn bat, einzutreten.
„Mr. Draugr, freut mich, Sie zu sehen.“
„Guten Tag, Mr. Simmons.“
„Wenn Sie mir bitte in den Salon folgen, ich sage Ihrem Herrn Bruder Bescheid.“
„Danke.“ Thor folgte dem Butler in das Empfangszimmer, das seine Schwägerin vor Kurzem von einem berühmten Architekten neu hatte einrichten lassen. wobei der Salon für seinen Geschmack zu überladen und prunkvoll ausgestattet war. Er nahm auf dem Damastsofa Platz, und es dauerte nicht lange, bis Simmons wieder erschien.
„Ihr Herr Bruder erwartet Sie in seinem Arbeitszimmer.“
Thor nickte und folgte dem Butler den breiten Flur entlang. Leif erhob sich hinter seinem Schreibtisch.
„Wie schön, dich zu sehen, Bruder.“ Er wies zu einer Sitzgruppe vor dem Kaminfeuer. „Meine Frau ist noch im Büro, mein Sohn schläft, sodass mir deine Gesellschaft doppelt willkommen ist.“
Die beiden Männer nahmen in den Fauteuils vor dem Kamin Platz.
„Was führt dich an diesem regnerischen Samstagnachmittag zu mir?“
„Wir haben heute früher Schluss gemacht am Hafen, und ich hoffte, dich anzutreffen.“
„Ich freue mich über deinen Besuch. Ich weiß ja, du bist kein großer Freund von Brandy, aber es ist ziemlich kühl draußen. Ein Schluck würde dir …“
„Ja, ich trinke gern ein Glas mit dir.“
Leif zog eine blonde Braue hoch. Er schenkte beiden zwei Fingerbreit ein, reichte Thor ein bauchiges Kristallglas und setzte sich wieder.
„Da du mich aufsuchst und sogar Brandy trinkst, vermute ich, dass Lindsey dir immer noch im Kopf herumspukt.“
Thor nickte. „Ja.“
„Ärger mit Frauen ist eine Höllenqual.“
Thor seufzte. „Du hattest recht. Sie ist die Frau für mich.“
Schmunzelnd hob Leif das Glas. „Glückwunsch, kleiner Bruder.“
Thor nahm einen Schluck und verzog das Gesicht, als die bernsteinfarbene Flüssigkeit ihm brennend die Kehle hinunterlief. „Sie hat mich letzte Nacht besucht. Ich konnte sie nicht fortschicken.“ Einen Moment lang schloss er die Augen, Hitze durchströmte ihn bei dem Gedanken, was zwischen ihnen vorgefallen war. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Sie ist die Frau für mich, und dennoch darf ich keinen Anspruch auf sie erheben.“
„Sie hätte sich dir nicht hingegeben, würde sie nicht sehr viel für dich empfinden.“
„Lindsey ist die Tochter eines Barons. Daran ist nicht zu rütteln. Sie führt ein Leben in großem Wohlstand, trägt elegante Kleider und ist jeden Luxus gewöhnt. Nichts von alledem kann ich ihr bieten.“
„Aber du bist nicht mittellos. Du besitzt Anteile an Wallhall Shipping und diese Eisenbahnaktien.“
„Sie ist daran gewöhnt, in einem stattlichen Herrenhaus zu leben. Dafür würde mein Geld nicht reichen.“
„Vielleicht sind ihr solche Äußerlichkeiten nicht so wichtig, wie du anzunehmen scheinst.“
„Sie liebt Abendgesellschaften und festliche Bälle. Sie tanzt gerne. Mir aber liegt nichts an derlei Vergnügungen. Ich passe nicht in ihre Welt.“
„Ich habe gelernt, mich in dieser Welt zu arrangieren. Das könntest du auch, wenn du dich darum bemühst.“
Thor schüttelte den Kopf. „Du bist anders als ich. Du liebst das Leben in der Stadt, im Gegensatz zu mir. Ich könnte sie nicht
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