Mein mutiges Herz
lebhaften grauen Augen der Gastgeberin gerichtet, bevor er sich räusperte und Lindsey erneut seine Aufmerksamkeit schenkte. „Freuen Sie sich auf das Derby nächste Woche? Ich könnte mir vorstellen, dass Sie kaum eines verpasst haben in den letzten Jahren.“
„O ja, es ist das wichtigste Ereignis in der ganzen Gegend und sehr spannend. Und das Wetter verspricht gut zu werden, sodass uns der Spaß nicht verdorben wird.“
„Wie ich höre, werden Sie eines von Renhursts Rennpferden anmelden“, sagte Coralee an Tante Dee gerichtet.
„Ja, richtig. Unser Stallmeister ist sich nur noch nicht sicher, welches Pferd er ins Rennen schickt.“
„Ich hoffe, er trifft eine gute Wahl“, meinte der Colonel mit einem schalkhaften Augenzwinkern. „Ich habe nämlich vor, auf das Renhurst Pferd zu setzen, und rechne fest mit seinem Sieg.“
„Es dürfte allerdings schwierig werden, Lord Merricks Pferd zu schlagen“, wandte Coralee ein. „Soweit ich weiß, bereitet der Viscount seine Pferde das ganze Jahr auf das große Derby vor.“
„Seien Sie unbesorgt, unsere Pferde sind in Bestform“, entgegnete Tante Dee, „und wir haben ausgezeichnete Zureiter. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles daransetzen, um auf dem Siegerpodest zu stehen.“
Lindsey dachte an den schönen schwarzen Hengst King’s Saber. Wenn alles gut ging, würde sie ihn bei dem Rennen reiten. In diesem Fall wäre der Colonel gut beraten, auf den Rappen zu setzen, denn Lindsey war fest entschlossen, den Sieg zu erringen.
Sie gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Es ist spät geworden, und ich bin ein wenig müde. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gerne zurückziehen.“
„Aber selbstverständlich, mein Kind“, meinte Tante Delilah verständnisvoll.
„Schlafen Sie gut“, sagte der Colonel, der sich kurz erhob, während sie zur Tür ging. Sie konnte sich vorstellen, dass er wünschte, die anderen Gäste würden sich gleichfalls zurückziehen – alle bis auf Delilah.
Der Colonel und meine Tante geben ein perfektes Paar ab, dachte Lindsey. Im Gegensatz zu ihr und Thor, weil sie so gar nicht zusammenpassten – wie Feuer und Wasser. Sie verdrängte den Stich des Bedauerns. Manche Dinge sollten nun mal nicht sein, daran war nichts zu ändern.
Dennoch beschleunigte sich ihr Puls in freudiger Erwartung auf ihr Rendezvous heute Nacht, während sie die Treppe hinaufeilte.
Ruhelos wanderte Thor vor den Ruinen auf und ab. Wenn Lindsey nicht bald auftauchte, wollte er sich auf die Suche nach ihr begeben.
Leise fluchte er in sich hinein. Er hätte nicht zulassen dürfen, sich mit ihr hier draußen mitten in der Nacht zu verabreden. Er dürfte sich überhaupt nicht mit ihr treffen. Sie hatte gewiss wieder Fragen im Dorf gestellt. Sollte an den anonymen Briefen ein Körnchen Wahrheit sein, könnte Merrick Verdacht schöpfen. Vielleicht hatte er einen Aufpasser auf sie angesetzt. Vielleicht spionierte jemand hinter ihr her.
Er verdrängte den Gedanken an die Raufbolde in der Gasse von Covent Garden und daran, was die Kerle ihr angetan hätten. Tief und stockend holte er Atem.
Noch fünf Minuten, dann würde er sie suchen.
Er warf einen Blick zur Lichtung hinüber, wo der Hengst friedlich graste, froh, nicht ständig in der Koppel eingesperrt zu sein. Heute war ein Tag, an dem er große Fortschritte gemacht hatte. Thor hatte es geschafft, dass Saber sich widerspruchslos den Sattel auflegen ließ. Von Horace Nub hatte er erfahren, dass der Hengst vor seiner Misshandlung an Sattel und Zaumzeug gewöhnt war.
Dann war er in die Hände eines Mannes geraten, der seine Pferde brutal schlug. Danach hatte eine Reihe von Zureitern geglaubt, das Tier mit Gewalt bändigen zu können, und alle waren ernstlich verletzt worden.
Thor hatte es geschafft, das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen, was aber noch lange nicht bedeutete, dass Saber Lindsey im Sattel duldete – und falls doch, wusste Thor nicht, ob er seine Zustimmung geben durfte. Was wäre, wenn Saber sie abwarf? Wenn sie durch den Sturz verletzt oder gar getötet wurde?
Wieder begann Thor rastlos hin und her zu wandern. Als er im Begriff war, den Hengst zu holen und sie zu suchen, hörte er das leise Wiehern eines nahenden Pferdes. Eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn, zusammen mit einem süßen Sehnen, Lindsey zu sehen, auch wenn es nicht sein durfte.
Thor wappnete sich innerlich. Wie oft hatte er sich vorgenommen, die Finger von ihr zu lassen? Was war nur an dieser Frau, das
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