Mein Name ist Afra (German Edition)
eintraf. Der kleine Weiler am Flüßchen Pitenach lag ruhig und fast verlassen im hellen Licht der Mittagssonne, denn vom halbwegs arbeitsfähigen Kind bis zum rüstigen Alten waren alle Bewohner auf den umliegenden Feldern bei der Getreideernte versammelt, jede Stunde dieses herrlichen, trockenen Wetters mußte für die Einfuhr der Wintervorräte genutzt werden. Nur zwei alte und gebrechliche Frauen, trotz der starken Hitze fest in schwarze, wollene Umschlagtücher gehüllt, saßen auf einer kleinen Bank unter dem schattigen, grüngelben Blätterdach der mächtigen Dorflinde, und eine Magd hütete im Obstgarten hinter dem Langhaus die Säuglinge und Krabbelkinder, deren Mütter auf den Feldern mit anpackten.
Der Händler ließ seinen Karren im Hof des Meieranwesens stehen, und während seine Sklaven die Zugtiere ausschirrten, die Waren abluden und das Pferd ihres Herrn und die müden Ochsen an der Furt tränkten, schlenderte Hildeger auf der Suche nach den Dorfleuten hinter das Haus in den weitläufigen Garten, weil er von dort Stimmen und Lachen vernahm. Einige Kinder liefen auf der Wiese unter den Obstbäumen herum, und eine stämmige, junge Frau mit langen, braunen Zöpfen saß mit zwei Wickelkindern im Schatten eines Apfelbaumes. Die Kindsmagd kannte den beleibten, kleinen Händler, der jedes Jahr einmal mit seinem Ochsenkarren durch den Gau zog, und sie stand auf und winkte ihm zu und freute sich über sein Kommen, denn das versprach Abwechslung im Dorfalltag und eine Menge neuer, lustiger Geschichten.
„Na, Mädchen, hast ein leichtes Arbeiten hier mit den Kindern auf der Wiese!“ sagte der Mann leutselig und musterte dabei die junge Frau mit dem hochgeschürzten Rock und den bis über die Knie nackten, mit Gras und Erde beschmierten Beinen wohlwollend, „aber sag´ mir, wo finde ich denn die Meierin oder den alten Wezilo, der Hof ist leer und verlassen!“ Die Magd kam langsam näher, einen greinenden Säugling auf dem Arm und einen kleinen Jungen in einem losen, grauen Kittel fest an der Hand. „Sind alle auf dem Acker hinterm krummen Graben, der Roggen wird eingefahren“ antwortete sie, „das ist viel Arbeit, und die Kinder gehen dabei im Weg um! Darum passe ich heute auf die Kleinen auf, denn die Herrin wollte mit aufs Feld, nach dem Rechten schauen, aber so eine leichte Arbeit ist das Kinderhüten wirklich nicht, wie du dir als kinderloser Mann das denkst! Der hier ist Agilolf, der Sohn der Meierin, und ich kann ihn keinen Augenblick von der Hand lassen, denn er ist ein verzogenes Balg und tut, was er will! Er versteckt sich vor mir oder läuft zum Bach hinunter, und das kannst du dir ja vorstellen, was mit mir geschieht, wenn der Bub ins Wasser fällt und ersäuft!“
Die Magd deutete auf ein Mädchen mit rötlichbraunen Locken, das selbstvergessen mit einer Strohpuppe unter den Obstbäumen spielte. „Da ist mir die kleine Ella schon lieber, das ist ein ruhiges und braves Kind, ganz anders als der wilde Bruder hier!“ Doch dabei lachte sie und schüttelte den Buben an ihrer Hand liebevoll, und das Kind gluckste vor Freude und patschte mit seinen kleinen Händen nach ihren nackten Schenkeln.
„Als ich vorigen Sommer hier in Pitengouua war, da war der Kleine noch ein zahnloses Wickelkind an der Brust seiner Mutter,“ sagte Hildeger nachdenklich, „da siehst du, wie die Zeit vergeht! Aber sie hat schöne, gesunde Kinder, eure Meierin, da können ihr Mann und ihr Vater mit Recht stolz und zufrieden darüber sein, nach dem Tod der älteren Tochter und dem faulen Saufkopf Bruno als Meier hat der alte Wezilo ein bißchen Glück verdient auf seine letzten Tage!“
Die junge Magd nickte zustimmend zu den Worten des Händlers und begann dann mit einem frechen Blick auf den kahlen Schädel des rundlichen Mannes zu scherzen. „Nicht nur an den kleinen Kindern kann ich sehen, daß die Zeit vergeht, Händler Hildeger! Mir scheint, als ob bei deinem letzten Besuch in unserem Weiler noch ein paar Haare auf deinem Kopf gewesen sind, jetzt glänzt er in der Sonne wie ein glattpolierter Schild, und dafür hat dein Bauch langsam den Umfang des hölzernen Rads von unserem Heuwagen!“
Der gutmütige und jederzeit zu Späßen aufgelegte Hildeger grinste und zwickte das Mädchen zur Strafe für ihre übermütige Rede kräftig in den vollen Hintern, was sie sich laut kreischend nicht ungern gefallen ließ, doch nach dem kurzen Geplänkel wurde er wieder ernst und fragte die Magd nach der jungen
Weitere Kostenlose Bücher