Mein Name ist Afra (German Edition)
Reden in winzige Stücke. „Was habe ich nicht alles unternommen, um ihm auszuweichen und seine Nähe zu meiden! So fromm auf die Fastentage bedacht und so begierig auf Beichte und Buße wie ich war schon lange keine christliche Frau mehr in unserem Gau, und ich nahm heimlich die empfängnisverhütenden Mittel von Justina ein und schnitt mit einem scharfen Messer in mein eigenes Fleisch, damit ich mit dem Blut, das aus den Schnittwunden floß, die überlange Dauer meiner monatlichen Blutung beweisen konnte. Einige Jahre lang wehrte er sich nicht gegen mein Verhalten, aber nachdem ich einfach nicht schwanger wurde und er unbedingt einen Erben wollte, verbot er mir die Beichte und den häufigen Kirchgang und nahm mich mit Gewalt, wann es ihm paßte, und ich empfing. Als ich wußte, daß ich schwanger bin, wollte ich mich in die Ambraschlucht stürzen, weit hinunter in die schwarze Tiefe, damit alles vorbei sei, für mich und für das Kind, aber Justina bot mir ihre Hilfe an und sie hat mich gerettet.“
Richlint atmete schwer. „Ich hasse den Haslachhof und vor allen Dingen Chuonrad, mit seiner herrischen Art und den ständigen Befehlen, die kurz und böse zusammen mit säuerlichem Atem aus seinem Munde kommen, und ich hasse die ekelhaften Berührungen dieses Mannes und seinen stinkenden Körper auf mir. Er ist mir zutiefst zuwider, weil ich für ihn kein Mensch mit Gefühlen bin, sondern nur ein leeres Gefäß, das seine Kinder hervorbringen soll!“
Aufgewühlt saß meine Freundin neben mir, und eine fieberhafte Röte breitete sich langsam auf ihrem ganzen Gesicht aus, während sie zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit so offen mit mir über ihren Mann sprach. Ich hatte immer gewußt, daß sie Chuonrad nicht leiden konnte und ihm kein Kind gebären wollte, und daß sie im Haslach nicht glücklich war, aber angesichts dieser Wut und dieses Hasses verschlug es mir die Sprache, und ich konnte nur hilflos ihre Hände streicheln und meine Arme um den angespannten Körper legen.
Justina war aufgestanden und erklärte mir in ihrer gelassenen Art, was geschehen war. „Als ich vor drei Monaten ins Haslach gerufen wurde, weil das Lieblingsroß von Chuonrad nicht mehr fressen und saufen wollte, sah ich sofort, daß Richlint schwanger und todunglücklich war und noch niemand es wußte, nicht einmal die alte Hedwig mit ihren scharfen Adleraugen hatte es bemerkt. Und so versprach ich dem Herrn des Hofes ein wirksames Heilmittel für sein krankes Pferd mit der lohfarbenen Mähne, das ich aber nur im Gutshof vorrätig hatte, und ich bat ihn, Richlint mit mir zu senden, da sie auch einiges von der Kräuterheilkunde verstand und lernen sollte, das Mittel zuzubereiten. Mit meinem Vorschlag war der sehr um seinen Hengst besorgte Chuonrad sofort einverstanden, und während Richlint und ich zusammen auf ihrem Braunen zum Gutshof ritten, erzählte sie mir von der Schwangerschaft und ihrer tiefen Verzweiflung, und ich wußte, daß sie sich das Leben nehmen würde, wenn ich ihr nicht half. Ein paar Stunden später ritt ich allein ins Haslach zurück, versorgte das kranke Tier und erzählte Chuonrad, daß Richlint vom Pferd gefallen sei und sich verletzt habe. Erst in ein paar Tagen könne sie wieder nach Hause reiten und müsse bis dahin bei mir in der Kammer liegenbleiben, ich würde sie gut pflegen und versorgen, und Chuonrad glaubte mir jedes Wort, nachdem ich bei seinem Pferd so gute Dienste geleistet hatte, und er ließ mich ziehen.“
Justina strich ihr schwarzes Haar aus dem Gesicht und schaute mich nachdenklich an. „Noch nie vorher habe ich ein Kind vorzeitig aus dem Leib der Mutter getrieben, Afra, und nur eine schwache Erinnerung aus den Erzählungen meiner italischen Mutter ist mir von diesem Vorgang geblieben. So nahm ich mehr nach meinem Gefühl die leuchtendroten Beeren des Seidelbasts, den man auch Treibkraut nennt, nur ganz wenig vom Mutterkorn, denn seine Wirkung ist sehr stark und gefährlich, und dazu grünes Gänsefingerkraut vom Wegrand, damit die heftigen Krämpfe besser zu ertragen sind, die das schwarze Korn verursacht. Das alles habe ich im steinernen Mörser vermischt und zerdrückt, und dann Richlint zum Einnehmen gegeben, und wenn ich ihr nicht geholfen hätte, dann wäre sie heute nicht mehr bei uns, sondern hätte ihr Leben beendet!“
Richlint richtete sich auf und sah mir direkt in die Augen. „Glaube nicht, Afra, daß es mir leicht gefallen ist, mein Kind aus meinem Bauch zu vertreiben! Nachdem ich
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