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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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Pfeilen und Speeren zielen, und waren doch selbst in Deckung. Hinter der Palisade lag eine grüne Rodung, die dem Dorfvieh bei einer Belagerung als Weidefläche diente, und deren Abholzen und Abbrennen sehr mühsam gewesen war. Damit eine gleichmäßige Ebene entstand, hatte man viel Erde abgetragen und zur Erhöhung des darüberliegenden Burgplateaus und zum Absteilen der Hügelhänge verwendet.
    Wichard und Berno hatten das große Holztor erreicht, und gaben sich dem Turmwächter, der sie im Dunkeln nicht so ohne weiteres hereinlassen wollte, durch laute Zurufe zu erkennen. “Ihr seid spät dran, der Herr hat schon mehrfach nach euch gefragt,“ rief der stämmige Mann beim Öffnen des Tores, und wieder beschlich Wichard das ungute Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Vor seinem Vater Wicpert, der von Graf Eticho zum Herrn der Burg eingesetzt worden war, hatte Wichard gehörigen Respekt, ja fast Angst, denn dem von Ehrgeiz und eisernen Willen beherrschten Vater konnte er es nie wirklich recht machen. Als zweiter Sohn eines freien Bauern hatte Wicpert seine Zukunft im Kampf für die Angelegenheiten des Grafen gesehen, und als er sich dort ausgezeichnet hatte und dann auch noch eine reiche Frau aus guter Familie gewann, machte ihn Eticho zum Verwalter seiner Burg Pitengouua und schenkte ihm sein Vertrauen.
    Wichard scheute die Begegnung mit seinem Vater an diesem Abend, und um sich seine Ängste nicht anmerken zu lassen, kehrte er ganz besonders den Sohn des Burgverwalters heraus und herrschte den Turmwächter an. „Schwatz´ nicht soviel, du Esel, schließ´ lieber das Tor fest hinter uns!“ Der Wagen polterte laut auf der kleinen Bohlenbrücke, die über den tiefen Wallgraben hinter dem Zaun führte, und durch die grüne Viehweide ging es schräg nach oben zum Burgplateau.
    Dieser Pfad war nur auf der Talseite durch einen spitzen Pflockzaun befestigt, und an den Hängen zu beiden Seiten des Weges sicherten immer wieder niedrige Flechtwerkzäune die Erde vor dem Abrutschen. Auf einer kleinen Anhöhe links unterhalb der mit einem hohen, festen Zaun ringsum befestigten Burg lagen dichtgedrängt mehrere Wohnhäuser, auf Pfählen gebaute Vorratshütten, Ställe für das Vieh, vertiefte Grubenhäuser und ein aus Weidenruten geflochtener Pferch für die riesige Schweineherde von Pitengouua, die tagsüber von den Hirten zum Mästen in den Doswald, der am Hochufer der Lecha lag, getrieben wurde. Diesen wertvollen Mischwald mit den vielen alten Bäumen, in dem die Schweine genug Eicheln fanden, um im November zur Schlachtzeit rund und fett zu sein, hatte Graf Heinrich, ´der mit dem goldenen Wagen´, ein Großvater des heutigen Herrn Eticho, seiner Gemahlin Atha von Hohenwart als Brautgabe, als Dos gegeben; und seit dieser Zeit hieß der mächtige Lechawald bei den Menschen des Gaus einfach Doswald.
    Oben auf der Burg stand das Tor für die Männer mit ihrem Wagen bereits offen, denn der Turmwächter hatte von unten ihr Kommen mit einem vereinbarten Pfiff angekündigt, und auf dem mit groben Steinen gepflasterten Platz vor dem mächtigen Haupthaus der Burg stand Wicpert, eine brennende Fackel in der Hand und erwartete ungeduldig seinen Sohn. „Du hast dir viel Zeit gelassen, Wichard, deine Mutter war in großer Sorge! Geh´ rein zu ihr, damit sie sich wieder beruhigt, wir haben auch Neuigkeiten, ein Händler aus St. Gallen ist heute gekommen mit Berichten aus Altdorf, die wohl auch uns hier in Pitengouua angehen werden. Ich kümmere mich schon um das Abladen!“ Damit du Berno ungestört über mich ausfragen kannst, dachte Wichard, von schlechtem Gewissen geplagt, aber ohne ein Wort der Widerrede machte er sich auf den Weg zum Haus.
    Wicpert war ein Mann von eindrucksvoller Statur, sehr groß, mit breiten Schultern und mächtigen Muskeln an Armen und Schenkeln, ein gefürchteter Krieger, wenn er mit dem Grafen hoch zu Pferd in den Kampf zog. Viele kleinere Narben an seinen bloßen Unterarmen und ein roter, wulstiger Strang, der von seiner Stirn über die Wange bis zum Kinn lief, zeugten von harten Auseinandersetzungen. Ein dichter Bart und sein langes blondes Haupthaar, das er im Nacken mit einer Lederschnur zusammengebunden trug, verstärkten den kriegerischen Eindruck genauso wie die befehlsgewohnte, tiefe Stimme, die ihm zu eigen war. Sein Wort war Gesetz auf der Burg, alles sprang gehorsam, wenn er befahl, die eigenen Kinder, Wichard und Liutbirc genauso wie die Leibeigenen. Hinter seinen wasserblauen Augen

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