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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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saß hinter mir auf dem Schecken und klammerte sich an meinem Rücken fest, und ich spürte das Beben ihres Körpers und wußte, daß sie genau wie ich an die fürchterliche Prophezeiung von Justina dachte, über die wir mit keinem Menschen gesprochen hatten und die uns jetzt noch mehr ängstigte als in den Tagen zuvor. Wenn Justina mit ihren Vorahnungen recht hatte, dann würden wir zu spät nach Pitengouua zurückkommen und könnten das Unheil nicht mehr verhindern.
    Rasend schnell wirbelten die Gedanken in meinem Kopf durcheinander, und ich versuchte, mir alles in Erinnerung zu rufen, was ich je über die Ungarn gehört hatte. Blutrünstig und goldgierig seien die Heiden aus der Steppe, sagten manche, und wie Fabelwesen mit ihren kleinen, stämmigen Pferden verwachsen, wie ein starker Wind fegten sie über das Land und nichts vermochte sie aufzuhalten. Nur auf reiche Beute und hilflose Frauen und Kinder seien sie aus, und keine Ehrfurcht vor Gott und seinen Dienern hindere diese unbändigen Reiter, Klöster und Kirchen zu plündern, Priester und Mönche grausam niederzumetzeln und alles hinter sich in Brand zu stecken, so daß eine Feuerspur durchs ganze Land ihren Weg markierte. Blind folgten sie ihrem Führer, den sie wie einen Gott verehrten, wohin er sie auch führte, und ihr eigenes Leben galt ihnen nichts, denn nach ihrem Glauben würden nur tapfere Krieger im Paradies leben, und die Menschen, die sie auf Erden getötet hatten, würden ihnen dort dienen und sie als Helden verehren. Der alte Haimeran aber hatte in der Zeit, als Herzog Arnulf mit den Ungarn verbündet war, dieses Volk selber kennengelernt, und nach seinen Erzählungen waren es zwar harte Krieger, die reiten konnten wie der Teufel und mit Pfeil und Bogen noch vom galoppierenden Pferd aus sicher ihr Ziel trafen, aber viele von ihnen seien bereits Christen und lustige Leute, mit denen man gut einen Wein vor dem Feuer trinken und derbe Scherze machen konnte. Haimeran bewunderte die Kriegskunst der listigen Nomaden, ihre prächtige Kleidung, ihre kunstvollen Sättel und Zaumzeuge, und die bedingungslose Treue zu ihrem Volk, aber auch er nannte die Ungarn habsüchtig und auf Prunk versessen, nur auf Gold aus oder auf Sklaven, mit denen sie im Osten einen lebhaften Handel trieben. Immer wieder und wieder waren sie plötzlich durch unser Land gezogen und hatten Pitengouua in den letzten hundert Jahren zweimal verwüstet und ausgeraubt, und deshalb hatte der alte Graf Roudolf die Befestigung auf dem Meierberg ausbauen lassen, damit die Bevölkerung und das Vieh dort oben Schutz finden konnte und die Reiterhorden vorbeiziehen würden, wenn es nichts zu holen gab.
    Sehr düstere Gedanken waren in meinem Kopf auf diesem Heimweg vom Staphinse nach Pitengouua, und ich betete lautlos und inbrünstig zu Gott und seinem Sohn Jesus, zur gütigen Mutter Maria und zu Vanth, der wissenden, alten Göttin von Justina, daß sie die Gefahr vorbei leiten sollten von meinem Dorf, weg von meiner Mutter Rautgund, von Folchaid, Justina und Haimeran und allen anderen, die ich liebte.
    Als wir die Ambraschlucht durchquerten, war es schon früher Morgen, und gegen Mittag ließen wir den Schnaitberg hinter uns und ritten an den stillen Haslachhöfen, auf denen kein Mensch zu sehen und nichts zu hören war, vorbei und direkt auf Pitengouua zu. Schon von weitem sahen wir schwarzen Rauch den Himmel verdunkeln und große Rabenvögel ihre weiten Kreise über das Dorf ziehen, und bei diesem Anblick schrien die Mädchen auf dem Ochsenkarren voller Angst laut auf und Richlint bohrte ihre Finger wie scharfe Krallen in meine Seite. Wezilo stöhnte tief und stieß seinem braunen Hengst die eisernen Sporen in die Flanken, und das Pferd machte einen großen Satz nach vorne und jagte dann mit meinem Vater aufs Dorf zu. Der Schecke galoppierte sofort hinterher, mit Richlint und mir auf dem Rücken, und die Knechte schrien uns nach, daß wir das Pferd zügeln und anhalten und erst einmal mit ihnen abwarten sollten, bis der Meier zurückkäme und keine Gefahr mehr herrschte. Aber das sonst so gutmütige Tier ließ sich nicht aufhalten, sondern rannte hinter dem braunen Hengst auf die Höfe zu, und das war mir gerade recht, denn ich wollte nur noch zu meiner Mutter.
    An der Furt vor unserem Anwesen sprang Wezilo vom Pferd und lief zu den Leuten, die dort mit bleichen Gesichtern stumm und eng beieinander standen, und als die Gruppe sich langsam und zögerlich für den Meier öffnete, sahen

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