Mein Name ist Afra (German Edition)
Wort gehört und gut verstanden, und Arbeo wußte genau, wie tief er sie verletzte. Für einen kurzen Augenblick standen der junge Mann und die schwangere Frau wie aus Stein gemeißelt da und schauten sich stumm in die Augen, die letzten, trotzigen Worte des Mannes schwangen tonlos zwischen ihnen in der Luft, und dann wischte sich Justina die Hände an ihrem Hemd ab und ging mit gesenktem Kopf still in den Kuhstall zurück.
Hildeger hatte die starke Spannung zwischen der einfachen Magd und dem Sohn des Gutsbesitzers sehr wohl bemerkt und sich dazu seine Gedanken gemacht, und er fühlte Mitleid mit Justina, die er gut leiden konnte. „Aber was soll´s!“ dachte er bei sich, „das ist Frauenlos! Das kommt oft vor, daß der Herr mit der Dienerin etwas hat und dann eine andere heiraten muß, weil die Familie wichtiger ist als eine Liebelei. Die Justina ist eine starke Person, die wird das mit dem Kind schon schaffen! Ich werde jetzt hineingehen und zusehen, ob ich bei dem alten Severin nicht doch noch ein paar von meinen Fässern anbringen kann, bevor ich nach Pitengouua ziehe!“
Kurz vor der Dämmerung am gleichen Tag erreichte der Händler mit seinem Karren den Weiler zwischen Ambra und Lecha. Justina war während der Fahrt unter der gefetteten Tierhaut gehockt, die zum Schutz vor Nässe über den ganzen Wagen gespannt war, zwischen den hölzernen Weinfässern, den vielen kleinen Leinensäcken mit seltenen Gewürzen und den hohen Tontöpfen voll Salz. Ein Sklave hatte die Zugtiere geführt und ein anderer im Vorausgehen den Weg gesichert, und Hildeger selber war immer sorgsam an der Seite des Karrens geblieben, denn sein ganzes Vermögen befand sich darauf. Eine Unterhaltung war beim lauten Rumpeln der Räder und den vielen Zurufen der Männer auf dem schlammigen, unbefestigten Weg kaum möglich gewesen, und Justina war froh darüber, denn sie war traurig und hatte heute wenig Lust, mit dem heiteren Hildeger zu lachen und zu scherzen.
Im Dorf herrschte ein Eifer und eine Unruhe wie selten zuvor, denn man bereitete sich auf die Ankunft des Bischofs von Augusburc vor, und einige der Männer, die mit Udalrich nach Rom ziehen wollten, waren schon mit ihren Begleitern in Pitengouua eingetroffen. Fast jedes Haus und jede Hütte hatte einen oder mehrere Gäste bekommen, und es schien zuerst so, als ob sich für Hildeger und Justina kein Platz zum Schlafen mehr finden würde. Es war bereits zu spät am Abend, um noch bis zum alten Gutshof weiterzuziehen, denn wegen der vielen Wolfsrudel, die im Frühjahr ihre Welpen warfen und dann besonders hungrig waren, war es sehr gefährlich und unsicher für eine kleine Gruppe von Menschen, bei Nacht unterwegs zu sein. Aber im Meierhof freuten sich Afra und Richlint, ihre Freundin bei sich zu haben und boten ihr einen Platz im gemeinsamen Bett, und der einsilbige Wezilo nahm den Weinhändler, der immer für eine lustige Erzählung gut war, zu sich auf das Strohlager. Die beiden Knechte mußten mit den anderen Unfreien zusammen im Stall oder in einer der Scheunen Unterschlupf finden, und so drängten sich all die vielen Leute voller Erwartung in dem kleinen Weiler zusammen.
Als es draußen bereits dunkel geworden war und nicht weiter gearbeitet werden konnte, trugen die Frauen im Meierhof das Abendessen auf, ein bescheidenes Mahl aus Getreidemus, Zwiebelgemüse und einer säuerlichen Suppe. Wenn auch die lange Fastenzeit schon vorbei war und das Osterfest zwei Wochen zurück lag, sollte es ein Essen mit Wildbret und Braten erst wieder zu Ehren des Bischofs geben. Die Menschen in der rauchigen, halbdunklen Stube mußten eng um den Tisch zusammen rücken, damit ein jeder mit seinem Holzlöffel an die Schüsseln gelangen konnte, und Walburc und Justina liefen herum und schenkten aus tönernen Krügen Met und Wasser nach. Nachdem die Männer versorgt waren und vor allem genügend zu trinken hatten, zogen sich die beiden Frauen an die Kochstelle zurück und redeten leise miteinander über ihre Schwangerschaft, denn auch Walburc trug zu ihrer großen Freude ein Kind in sich, das im Sommer zur Welt kommen sollte, und Afra und Richlint hockten nach dem Essen auf ihrer Bettstatt zusammen und lauschten aufmerksam dem Gespräch der Männer.
Am Tisch führte der Händler Hildeger das große Wort und erzählte ausführlich von seinem Tag in Dornau, dem Streit zwischen Severin und Arbeo und wie er selber, schlau und geschickt, dann doch noch drei Fässer mit teurem Wein verkauft hatte.
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