Mein Name ist Afra (German Edition)
unseres Herrn Jesus Christus oder den echten Fingerknochen eines Märtyrers zu verkaufen! Da wird viel schändliches Zeug getrieben mit dem Glauben von einfältigen, frommen Menschen, aber sie dürsten ja nach Schädeln und Knochen von Heiligen und nach Nägeln aus den Gebeinen unseres gekreuzigten Heilands! Wenn die Leute so dumm sind, alles zu glauben und anzubeten, was man ihnen vorsetzt, dann ist ihnen nicht zu helfen!“
Als Hildeger sah, daß sich die Miene von Wezilo bei seinen zweifelnden Worten verdüsterte und auch Walburc mit empörtem Gesicht hinter der Herdstelle vorkam, um das Gespräch zu verfolgen, lenkte er rasch wieder ein, denn er wollte es sich mit seinen freundlichen Gastgebern nicht verderben. „Aber die Reliquien, die Udalrich bringt, sind über jeden Zweifel erhaben, denn der Bischof als Mann Gottes würde sicher sofort erkennen, wenn sie nicht von einem Heiligen stammten! Und die echten Heiltümer wirken Wunder, wie wir alle wissen und erfahren haben. Denkt nur an die Lanze mit dem Nagel vom Kreuz Christ, die König Otto bei seinen Schlachten und den Reisen nach Rom voran tragen läßt wie schon sein seliger Vater Heinrich vor ihm! Es ist die heilige Lanze des einfachen Soldaten Longinus, der damit in Christi Seite stach, wie es ihm befohlen war, und der dann selber ein Christ und ein Heiliger wurde. Und just am Festtag dieses Longinus, am fünfzehnten März, errang der König Heinrich an der Unstrut bei Riade mit dieser Lanze einen glorreichen Sieg über die barbarischen Ungarn!“
Wezilo nickte zustimmend zu den letzten Worten von Hildeger, denn er war ein tiefgläubiger Mensch, der niemals die starke Wirkung von heiligen Gebeinen bezweifelt hatte. „Und in den nächsten Tagen werden junge Männer aus unserer Gemeinde mit dem Bischof nach Rom ziehen, und wir alle beten darum, daß sie ohne Schaden und gesund wieder nach Pitengouua zurückkehren und auch für unsere kleine Kirche Reliquien mitbringen, auf daß unser Dorf unter dem Schutz der Heiligen stehe! Der Weg nach Rom und ins heidnische Land ist weit und voller Gefahren, denn gottlose Räuberbanden lauern den Pilgern auf, um sie auszurauben und zu töten, und manche bösartige Krankheit gibt es dort drunten, die wir nicht kennen und nicht zu heilen vermögen.“
Richlint setzte sich mit einem Ruck auf ihrem Lager auf und wandte dem alten Meier ihr besorgtes Gesicht zu. „Wezilo, besteht denn eine Gefahr für meinen Bruder Rasso? Wenn er mit dem Bischof und seinen Männern geht, dann ist er doch sicher, dann wird er doch wieder zurück nach Pitengouua kommen ?“
Bruno, der immer weiter dem Met zugesprochen hatte und nun richtig betrunken war, lachte laut auf. „Es gibt auch noch ganz andere Gefahren, von denen der brave Alte hier nicht gesprochen hat! Geile, feiste Weiber mit schneeweißen Brüsten und dunkelrot gefärbten Lippen, und süffiger, starker Wein, das hat schon die standhaftesten und frommsten Pilger vom rechten Weg abgebracht, nicht wahr, Hildeger! Du als reisender Händler kennst dich doch sicher aus mit den süßen Gefahren, die in der Fremde auf einen richtigen Mann warten! Diese frommen Jungfrauen hier sind keusch und rein, und christlich wie mein Eheweib, das nichts taugt im Bett und am liebsten jeden Tag in die Kirche geht! Wollen wir ihnen vom Reisen und seinen schönen Gefahren erzählen, ha, was meinst du!“ Und er stieß den verlegenen Hildeger mit dem Ellbogen so heftig in die Seite, daß beide das Gleichgewicht verloren und von der Bank auf den strohbedeckten Boden fielen.
Wezilo und Walburc halfen dem verdutzten Händler wieder auf die Füße und klopften den Staub von seinem Kittel ab, und mit kaum unterdrückter Wut in der Stimme wandte sich dann der alte Meier an den Mann seiner Tochter, der auf der Erde lag und blöde grinste. „Redest nur dummes und unnützes Zeug, wenn du getrunken hast, Bruno! Schau, daß du aufstehst und dich auf dein Lager verziehst, damit du uns nicht noch mehr beschämst vor diesem ehrlichen Mann!“
Während Bruno sich mühsam hoch raffte und dann ohne Widerrede zu seiner Bettstatt hinüber schlurfte, nahm Wezilo den Händler am Arm und führte ihn zur Bank zurück. „Da siehst du, Hildeger, was ich für einen unfähigen und strohdummen Nachfolger habe!“ raunte er dem rundlichen Mann zu, „Severin und Wicpert waren klüger als ich mit der Wahl ihrer Schwiegerkinder! Sie festigen durch Heirat ihr Ansehen und vermehren ihr Vermögen, und ein Sohn, der mit dem
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